Im Sturm: Thriller (German Edition)
Abendessen ging es, gelinde gesagt, peinlich zu. Die drei russischen Offiziere saßen am Ende des Tisches, waren sich der beiden bewaffneten Wächter und des Smutje, der in der Kombüse auffällig mit einem langen Messer hantierte, durchaus bewußt. Ihr Essen wurde den Russen von einem finster blickenden siebzehnjährigen Matrosen serviert.
»Nun«, meinte Morris umgänglich, »spricht jemand englisch?«
»Ich«, meldete sich einer. »Mein Kommandant hat mich angewiesen, Ihnen für die Rettung unserer Männer zu danken.«
»Sagen Sie ihm, er hätte großes Geschick bewiesen.« Morris goß Salatsoße auf und wartete auf die Übersetzung. Seine Offiziere behielten die Gäste scharf im Auge. Ed Morris wandte mit Bedacht den Blick ab und stellte fest, daß seine Bemerkung die gewünschte Wirkung zeigte. Am anderen Ende des Tisches kam es zu einem raschen Wortwechsel.
»Mein Kommandant möchte wissen, wie Sie uns gefunden haben. Den Hubschraubern sind wir doch entkommen, oder?«
»Stimmt«, erwiderte Morris. »Wir verstanden das System nicht, nach dem Sie operierten.«
»Wie haben Sie uns dann geortet?«
»Ich wußte, daß Sie zuvor von der Orion angegriffen worden waren und mit hoher Geschwindigkeit fuhren, um uns einzuholen. Der Angriffswinkel war vorhersehbar.«
Der Russe schüttelte den Kopf. »Was für ein Angriff? Wer hat uns angegriffen?« Er wandte sich an seinen Kommandanten und sprach etwa dreißig Sekunden lang.
Es muß da draußen noch ein Charlie sein, dachte Morris, es sei denn, er lügt uns an. Jemand, der Russisch kann, sollte unten mit den Mannschaftsgraden sprechen. Verflucht, warum habe ich niemanden an Bord, der diese Sprache beherrscht?
»Mein Kommandant sagt, Sie irren sich. Unser erster Kontakt war ein Hubschrauber. Mit einem Schiff haben wir nicht gerechnet. Ist das eine neue Taktik?«
»Nein, das üben wir schon seit Jahren.«
»Und wie haben Sie uns gefunden?«
»Wissen Sie, was ein Schleppsonar ist? Damit haben wir Sie erfaßt – drei Stunden vor dem Torpedoschuß.«
Der Russe machte große Augen. »So gut ist Ihr Sonar?«
»Manchmal.« Auf die Übersetzung hin gab der russische Kommandant einen knappen Befehl, und die Konversation fand ein Ende. Morris fragte sich, ob sein Funktechniker bereits ein Mikrophon ins Quartier der Russen eingebaut hatte. Ihre Gespräche konnten wichtige Hinweise für den Nachrichtendienst der Flotte enthalten. Zunächst aber wollte er dafür sorgen, daß seine Gäste es bequem hatten. »Wie ist das Essen auf einem russischen U-Boot?«
»Nicht so wie hier«, erwiderte der Navigator nach Absprache mit seinem Vorgesetzten. »Gut, aber anders. Wir bekommen mehr Fisch und weniger Fleisch. Und trinken Tee, keinen Kaffee.«
Ed Morris stellte fest, daß seine Gäste mit kaum verhohlenem Gusto zulangten. Auch auf unseren U-Booten gibt es nicht genug frisches Gemüse, sagte sich Morris. Sein Funktechniker betrat die Messe und blieb an der Tür stehen. Morris winkte ihn zu sich.
Der Mann reichte seinem Kommandanten ein Formular, auf dem in Druckschrift SONDERAUFTRAG AUSGEFÜHRT stand. Die Quartiere der Russen waren nun alle verwanzt. Morris ließ den Techniker abtreten und steckte das Papier ein. Sein Bootsmann hatte wundersamerweise zwei Flaschen Schnaps aufgetrieben – wo, wollte Morris erst gar nicht wissen –, die heute abend zu den Russen gelangen sollten. Er hoffte, daß der Alkohol ihnen die Zungen lösen würde.
24
Vergewaltigung
USS Pharris
Morris hätte den Maschinen am liebsten zugewinkt. Das Patrouillenflugzeug der französischen Marine signalisierte, daß sie sich im Schutz eines Luftstützpunktes an Land befanden. Ein russischer U-Boot-Kommandant mußte schon viel Mut haben, um hier, wo französische Dieselboote den Geleitzug abschirmten und mehrere ASW-Flugzeuge ihn beschützten, irgendwelche Spiele zu treiben.
Die Franzosen hatten auch einen Hubschrauber losgeschickt, der die russischen Gefangenen abholte. Sie kamen nach Brest, um dort von Angehörigen der Nato-Nachrichtendienste verhört zu werden. Darum beneidete Morris sie nicht. Festgehalten wurden sie dann nämlich von den Franzosen, die nach dem Verlust eines Trägers üble Laune hatten.
Die Pharris war im Begriff, ihren Geleitzug an britische und französische Eskorten zu übergeben und einen vierzig Frachter starken Konvoi nach Amerika zu übernehmen. Ihre ASW-Taktik hatte bislang recht gut funktioniert. Mit der Pharris als Sonar-Vorposten und starker Unterstützung durch die
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