Im Sturm: Thriller (German Edition)
Versagen so an die große Glocke hängen. Als er den Motor anließ, fragte er sich, ob ihn dieser schreckliche Augenblick auf der Brücke für den Rest seines Lebens im Traum verfolgen würde.
Island
Zum ersten Mal war Edwards dem Sergeant in einer Überlebenstechnik über. Trotz seiner angeblichen Angelkünste kam Smith nach einer Stunde mit leeren Händen zurück und reichte Mike angewidert die Rute. Zehn Minuten später zog Edwards eine vierpfündige Forelle an Land.
»Nicht zu glauben«, grollte Smith.
Für die letzten zehn Kilometer hatten sie elf Stunden gebraucht. Auf der einzigen Straße, die sie überqueren mußten, hatte viel Verkehr geherrscht. Alle paar Minuten war ein Fahrzeug nach Norden oder Süden gerollt. Für die Russen war diese Schotterstraße die Hauptverbindung zur Nordküste. Edwards und seine Gruppe hatten sechs Stunden lang in einem Lavafeld ausharren müssen, bis sie die Straße sicher überqueren konnten. Zweimal hatten sie HubschrauberMi-24 Streife fliegen sehen, aber keiner war ihnen nahe gekommen. Auch Patrouillen zu Fuß schien es keine zu geben, und Edwards gelangte zu dem Schluß, daß die Sowjets zahlenmäßig nicht stark genug waren, um die große Insel in ihrer Gesamtheit zu kontrollieren. Auf diese Erkenntnis hin holte er seine russische Landkarte hervor und versuchte, die kyrillischen Buchstaben zu entziffern. Die sowjetischen Truppen waren in einem Halbkreis um die Halbinsel Reykjavik konzentriert. Das gab er über Funk nach Schottland durch und erklärte zehn Minuten lang die Bedeutung der Symbole auf der Karte.
Als es zu dämmern begann, ließ der Verkehr nach, so daß sie die Straße im Laufschritt überqueren konnten. Nun lag ein Gebiet mit Seen und Bächen vor ihnen, und der Proviant war ihnen ausgegangen. Genug ist genug, entschied Edwards. Sie mußten wieder einen Ruhetag einlegen und angeln, damit sie etwas zu essen bekamen. Die nächste Etappe führte durch unbewohntes Gebiet.
Sein Gewehr und seine Ausrüstung lagen abgedeckt von seiner Camouflage-Jacke neben einem Felsbrocken. Vigdis, die den ganzen Tag kaum von ihm gewichen war, stand neben ihm. Die vier Marines hatten sich Plätze zum Ausruhen gesucht und überließen das Fischen ihrem Lieutenant. Sein Pullover hielt ihm die Schnaken vom Leib, aber sein Gesicht bekam seinen Teil ab. Unzählige schwebten über dem Bach, und die Forellen machten auf sie Jagd. Jedesmal, wenn die Oberfläche sich kräuselte, warf er den gefiederten Köder aus. Und die Rute bog sich wieder.
»Das ist ein Dicker!« Er drehte sich um und sah Vigdis lachen. Eine Minute später zog sie den Fisch aus dem Wasser.
»Drei Kilo!« Sie hob die Forelle hoch.
Der Hubschrauber tauchte ohne Warnung auf. »Keine Bewegung! « brüllte Smith. Die Marines hatten gute Deckung, aber Mike und Vigdis standen exponiert.
»Mein Gott«, hauchte Edwards und holte den Rest der Angelschnur ein. »Nehmen Sie den Fisch vom Haken, aber ganz entspannt.«
Sie hielt dem herannahenden Hubschrauber den Rücken zugekehrt und holte dem zappelnden Fisch mit zitternden Fingern den Haken aus dem Maul.
»Wird schon gut, Vigdis.« Er schlang ihr den Arm um die Taille und entfernte sich langsam vom Bach. Sie griff nach ihm und zog ihn an sich.
Der Hubschrauber war nun knapp fünfhundert Meter von ihnen entfernt, hielt mit gesenkter Nase direkt auf sie zu. Sein mehrläufiges Maschinengewehr war auf sie gerichtet.
Langsam griff Vigdis nach Edwards’ Hand und legte sie auf ihre linke Brust. Dann hielt sie den Fisch hoch. Mike ließ die Angelrute fallen und bückte sich nach der anderen Forelle. Vigdis folgte seinen Bewegungen und sorgte dafür, daß seine Hand an Ort und Stelle blieb. Nun zeigte auch Mike seinen Fisch der Besatzung des fünfzig Meter vor ihnen schwebenden Helikopters.
Er bleckte die Zähne zu einem Grinsen und zischte: »Verpiß dich!«
»Mein Vater angelt auch gerne«, sagte der Oberleutnant am Steuerknüppel.
»Scheiß auf den Fisch«, versetzte der Schütze. »Gucken Sie mal, wo der Saukerl seine Hand hat!«
Der Pilot warf einen Blick auf die Treibstoffanzeigen. »Die zwei sehen harmlos aus. Und wir haben gerade noch genug Sprit für dreißig Minuten. Zeit, zurückzufliegen.«
Das Heck des Hubschraubers senkte sich, und einen gräßlichen Augenblick glaubte Edwards, er wolle landen. Doch dann machte die Maschine in der Luft einen Schwenk und flog nach Südwesten. Ein Soldat winkte ihnen aus der Seitentür zu. Vigdis winkte zurück. Sie
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