Im Sturm: Thriller (German Edition)
ein Pannenrisiko, und bei über 20 km/h bestand die Gefahr, daß die Panzerketten den Asphalt aufrissen. So rollten sie gemächlich dahin, angestarrt und beklatscht von Mannschaftstrauben. Die Kolonne war nicht so geordnet wie bei den Paraden, für die die Tamanische Garde täglich übte. Aber das steigerte die Begeisterung der Bevölkerung noch. Hier fuhren echte Soldaten an die Front. Entlang der Route standen KGB-Offiziere und »rieten« der Moskauer Miliz, die Division durchzulassen – als Grund nannte man die Unterbrechung der Bahnlinie. Die Verkehrspolizisten machten den Soldaten des Vaterlandes nur zu gern Platz.
Als die Kolonne den Nogina-Platz erreichte, stand Alexejew in der Schützenluke auf.
»Sie haben Ihre Männer gut ausgebildet«, sagte der Divisionskommandeur. »Ich werde nun sehen, wie sich der Rest Ihrer Truppe hält. In Stendal sehen wir uns wieder.« Alexejew sprang mit der Agilität eines jungen Gefreiten von dem rollenden Fahrzeug, blieb auf der Straße stehen und winkte die Fahrzeuge weiter und erwiderte den Gruß der Offiziere. Fünf Minuten später hatte das zweite Regiment ihn erreicht; nun wartete er auf dessen zweites Bataillon. Major Sorokin, der im Führungsfahrzeug saß, lehnte sich hinaus, packte den General an der Hand und zog ihn hinein.
»Ein alter Mann wie Sie könnte sich verletzen, Genosse General«, warnte Sorokin.
»Still, Sie junger Spund!« Alexejew war stolz auf seine körperliche Verfassung. Er betrachtete den Bataillonskommandeur, einen Mann frisch von der Front. »Bereit?«
»Bereit, Genosse General.«
»Halten Sie sich an Ihren Befehl, halten Sie Ihre Männer unter Kontrolle.« Alexejew löste die Klappe seines Halfters. Sorokin hatte eine AK-47 in der Hand.
Nun konnte er die Basiliuskathedrale sehen, eine Ansammlung von Zwiebeltürmen am Ende der Rasinastraße. Eines nach dem anderen bogen die Fahrzeuge an der alten Kirche nach rechts ab. Die Soldaten hinter ihm in dem BTR, einem alten Modell ohne Dach, reckten die Hälse und betrachteten neugierig die Sehenswürdigkeiten.
Nun rollten sie durch das Erlösertor und auf das Ministerratsgebäude zu. Es war zehn Uhr zwanzig. Zehn Minuten zu früh für Alexejews Termin beim Politbüro.
»Sind wir denn alle wahnsinnig geworden?« fragte der Landwirtschaftsminister. »Meinen Sie wirklich, wir könnten mit Atomwaffen spielen wie mit Knallfröschen?«
»Genosse Verteidigungsminister, Sie haben uns an den Rand des Abgrunds geführt«, sagte Pjotr Bromkowski. »Nun verlangen Sie, daß wir hinter Ihnen herspringen!«
»Es gibt kein Zurück mehr«, erklärte der Generalsekretär. »Die Entscheidung ist gefallen.«
Eine Explosion strafte diesen Ausspruch Lügen.
»Jetzt!« rief Alexejew. Hinten im Kommandowagen aktivierten die Fernmeldeoffiziere den Führungskreis der Division und gaben bekannt, im Kreml habe sich eine Explosion ereignet, und ein Schützenbataillon unter General Alexejew stelle nun Ermittlungen an.
Alexejew war schon in Bewegung. Drei BRT fuhren durch das zerschmetterte Tor und hielten vor der Freitreppe des Ministerratsgebäudes an.
»Was geht hier vor?« brüllte Alexejew den Hauptmann der Tamanischen Garde an.
»Das weiß ich nicht. Was wollen Sie hier, das ist verboten —«
Sorokin schoß ihn mit einem kurzen Feuerstoß nieder, sprang vom Fahrzeug und rannte gefolgt vom General auf das Gebäude zu. In der Tür drehte sich Alexejew um.
»Das Gebiet sichern! Das Politbüro soll ermordet werden!« Der Befehl wurde an die eintreffenden Truppen weitergegeben. Tamanische Garden rannten über den freien Platz vorm alten Arsenal. Einige Warnschüsse wurden abgegeben. Erst zögerte die Garde, aber dann leerte ein Leutnant das Magazin seines Gewehrs. Im Kreml begann ein Feuergefecht. Zwei sowjetische Einheiten, von denen nur zehn Soldaten wußten, worum es eigentlich ging, schossen aufeinander, und Mitglieder des Politbüros schauten von den Fenstern aus zu.
Alexejew war ergrimmt, weil Sorokin die Führung übernahm, aber der Major wußte, wessen Leben am gewinnbringendsten aufs Spiel gesetzt werden konnte. Auf dem Treppenabsatz im zweiten Stock traf er auf einen Hauptmann der Garde, den er erschoß. Dann stürmte er weiter nach oben, gefolgt von Alexejew und dem Bataillonskommandeur. Im vierten Stock stand ein Major mit einem Gewehr, der einen Feuerstoß abgab, aber zu hoch hielt. Der Fallschirmjägermajor rollte sich zur Seite und tötete ihn. Als nächstes fanden sie einen Oberst des KGB,
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