Im Sturm: Thriller (German Edition)
sie eigentlich taten. Fest stand nur, daß sie ihre Befehle von einem Vier-Sterne-General erhalten hatten. Das genügte den Soldaten des 77. Mot-Schützenbataillons. Die Fernmeldetrupps hatten gute Arbeit geleistet. Als der Politoffizier der Division im Kreml eintraf, fand er vier Mitglieder des Politbüros vor, die am Telefon eifrig Befehle gaben. Nicht alles war zum besten, aber die Männer der Partei schienen die Lage im Griff zu haben. Wie er erfuhr, waren die anderen Mitglieder bei einem heimtückischen Überfall der Kremlgarde gefallen oder verwundet worden. Der Direktor des KGB hatte die Verschwörung aufgedeckt und rechtzeitig regierungstreue Truppen anfordern können, war aber im heldenhaften Kampf gegen die Angreifer gefallen. Dies alles kam dem sampolit sehr seltsam vor, aber da seine Befehle logisch klangen, gab er dem Divisionskommandeur über Funk Anweisungen durch.
Sergetow war überrascht, wie einfach alles ging. Nur knapp zweihundert Menschen wußten, was sich eigentlich zugetragen hatte. Gekämpft worden war nur innerhalb der Kremlmauern. Er hatte im ZK einige Freunde, die in diesem Notfall seinen Anweisungen folgten. Am Ende des Tages hielten drei Parteimänner die Zügel der Macht. Die anderen Mitglieder des Politbüros waren außerhalb der Stadt unter Arrest. In Abwesenheit von Anweisungen des Innenministers folgten die MWD-Einheiten denen des Politbüros; das KGB wankte führerlos. Niemand stellte Fragen, niemand organisierte Widerstand, und jede Stunde, die verstrich, gab Sergetow und seiner Clique mehr Zeit, ihre Herrschaft zu konsolidieren. Den alten, aber weithin respektierten Pjotr Bromkowski ließ Sergetow den Parteiapparat und kommissarisch das Verteidigungsministerium übernehmen. Petja ernannte Alexejew zum Stellvertretenden Verteidigungsminister und Stabschef. Filip Moisejewitsch Krylow behielt das Landwirtschaftsministerium und wurde dazu Innenminister. Sergetow war der vorläufige Generalsekretär. Nun blieb noch eine überaus wichtige Aufgabe.
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Ein Waldspaziergang
Brüssel
Nichts erzeugt größere Angst als das Unbekannte. Der SACEUR hatte vier Geheimdienstmeldungen vor sich liegen, alle widersprüchlich. Nur in einem waren sich die Verfasser einig: Sie wußten nicht, was vor sich ging, aber es schien ungünstig zu sein.
Wozu brauche ich dann Experten? fragte sich der SACEUR.
Einem Informationsfetzen von einem Ferret-Satelliten war zu entnehmen gewesen, daß es in Moskau zu Kämpfen gekommen war und daß Truppen die Kommunikationszentren besetzten, aber Fernsehen und Rundfunk hatten sich zwölf Stunden lang an ihr normales Programm gehalten. Erst morgens um fünf war in einer Nachrichtensendung der versuchte Staatsstreich bekanntgegeben worden.
Ein Putsch des Verteidigungsministers? Unangenehm, und die Tatsache, daß er niedergeschlagen worden war, stellte nur einen geringen Trost dar. Abgehört worden war nur eine kurze Rede von Pjotr Bromkowski, dem letzten Stalinisten: Ruhe bewahren und auf die Partei vertrauen.
Was, zum Kuckuck, soll das heißen? fragte sich der SACEUR.
»Ich brauche Informationen«, sagte er zu seinem Nachrichtendienstchef. »Was wissen wir über die russische Befehlsstruktur?«
»Alexejew, der neue OB West, ist offenbar nicht auf seinem Posten. Günstig für uns, denn in zehn Stunden beginnt unser Angriff.«
Das Telefon des SACEUR summte. »Keine Anrufe, hab ich gesagt. Na schön, raus damit, Franz... Vier Stunden? In Potsdam, aha. Noch keine Antwort. Ich melde mich bald wieder.« Er legte auf. »Wir bekamen gerade einen offenen Funkspruch: Der sowjetische Stabschef wünscht mich dringend in Potsdam zu sprechen.«
»›Dringend‹, Herr General?«
»So lautete der Spruch. Die Russen bieten an, meinen Hubschrauber zum Treffpunkt zu eskortieren.« Der SACEUR lehnte sich zurück. »Meinen Sie vielleicht, die wollen mich abschießen, weil ich so gute Arbeit geleistet habe?« Der Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte in Europa gestattete sich ein ironisches Lächeln.
»Sie massieren nordöstlich von Hannover Truppen«, warnte der Nachrichtendienstchef.
»Ich weiß.«
»Fliegen Sie nicht, schicken Sie lieber einen Vertreter.«
»Tja, warum hat er das eigentlich nicht vorgeschlagen?« sann der SACEUR. »Das wird doch normalerweise von Unterhändlern erledigt?«
»Er hat’s eilig«, sagte Joachim. »Sie haben nicht gesiegt, aber im Grunde noch nichts verloren. Ihr Vormarsch ist aufgehalten worden, ihr Treibstoff ist knapp. Was, wenn in
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