Im Sturm: Thriller (German Edition)
tun hatte. Wir sind zum Beispiel in Alaska auf Probleme gestoßen, die nur durch sorgfältige Arbeit gelöst werden konnten. Zudem ist jede Raffinerie anfällig für Brände, und für intelligentes, umsichtiges und gut ausgebildetes Bedienungspersonal gibt es eben keinen Ersatz.«
Dies ist der letzte in einer Serie von Rückschlägen für die sowjetische Ölindustrie. Erst im vergangenen Herbst wurde vor dem Zentralkomitee eingestanden, die Förderleistung beider Ölfelder in Ostsibirien hätte »frühere Erwartungen nicht ganz erfüllt«. Westliche Kreise interpretierten diese scheinbar milde Erklärung als scharfen Angriff auf den inzwischen zurückgetretenen Erdölminister Satyschin, dessen Posten nun Michail Sergetow innehat, ehemals Parteichef in Leningrad und ein Aufsteiger in der Partei. Sergetow, erfahrener Ingenieur und Parteibürokrat, muß nun die sowjetische Ölindustrie von Grund auf reorganisieren, eine Aufgabe, die Jahre in Anspruch nehmen mag.«
AP – BA-31–01 0501 EST ·FL·
+++ ENDE +++
Moskau
Michail Eduardowitsch Sergetow hatte keine Gelegenheit, sich den Bericht der Nachrichtenagentur anzusehen. Er war aus seiner Datscha in den Birkenwäldern um Moskau geholt worden und sofort nach Nischnewartowsk geflogen, wo er sich nur zehn Stunden lang aufhielt, ehe er nach Moskau zurückbeordert wurde, um Bericht zu erstatten. Erst drei Monate auf dem Posten, dachte er, und jetzt ausgerechnet das!
Seine Stellvertreter, zwei geschickte junge Ingenieure, waren zurückgeblieben, um Ordnung in das Chaos zu bringen und zu retten, was noch zu retten war. Sergetow saß in der leeren Bugkabine einer IL-86 und ging seine Unterlagen für den Vortrag vom Politbüro durch, das später am Tag zusammentreten sollte. Dreihundert Männer waren bei der Bekämpfung des Brandes ums Leben gekommen und wie durch ein Wunder nur knapp zweihundert Bürger der Stadt Nischnewartowsk.
Die Raffinerie war fast völlig zerstört. Der Wiederaufbau würde mindestens zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen und einen beträchtlichen Anteil der Großröhrenproduktion des Landes verschlingen. Hinzu kamen alle anderen raffineriespezifischen Einrichtungen. Kostenpunkt: fünfzehn Milliarden Rubel. Und was mußte alles aus dem Ausland importiert werden – gegen Geld und kostbare Devisen!
Und das war noch die positive Seite.
Der negative Aspekt: Der Brand auf dem Ölfeld hatte die Quellenfassungen total zerstört. Reparaturzeit: sechsunddreißig Monate!
Sechsunddreißig Monate, sann Sergetow deprimiert, vorausgesetzt, wir können die Bohrtürme und Mannschaften von anderswo abziehen und jede einzelne Bohrung neu niederbringen lassen und zur selben Zeit die ERO-Systeme wiederaufbauen. Achtzehn Monate lang ein drastischer Produktionsrückgang, wenn nicht dreißig Monate. Was soll aus unserer Wirtschaft werden?
Er nahm ein liniertes Blatt aus der Aktentasche und begann zu rechnen. Der Flug dauerte drei Stunden, aber daß er vorüber war, merkte Sergetow erst, als der Pilot erschien und verkündete, sie seien gelandet.
Er blinzelte auf die Schneelandschaft bei Wnukowo-2, Moskaus nur für die Parteiprominenz bestimmtem Flughafen, und ging allein die Treppe hinunter zu einem bereitstehenden Sil. Die schwere Limousine raste sofort los und hielt an keinem der Kontrollpunkte. Die fröstelnden Milizoffiziere nahmen Haltung an, als der Sil vorbeirauschte. Die Sonne schien hell, der Himmel war bis auf dünne Zirruswolken klar. Sergetow starrte ausdruckslos aus dem Fenster und ging in Gedanken Zahlen durch, die er schon ein halbes dutzendmal überprüft hatte.
Sergetow war seit sechs Monaten Kandidat, also nicht stimmberechtigtes Mitglied des Politbüros, was bedeutete, daß er zusammen mit acht anderen Kandidaten die dreizehn Männer, die allein alle wichtigen Entscheidungen trafen, beriet. Er war seit September für die Erzeugung und Verteilung von Energie zuständig und hatte gerade erst begonnen, seinen Plan für die Reorganisation aller anderen mit Energie befaßten zentralen und regionalen Ministerien, die den Großteil ihrer Zeit mit bürokratischen Grabenkämpfen verbrachten, in die Tat umzusetzen und eine übergeordnete Behörde zu schaffen, die dem Politbüro direkt Bericht erstattete. Er schloß kurz die Augen und dankte Gott, weil er sich in seiner ersten Empfehlung vor einem Monat mit Fragen der Sicherheit und politischen Zuverlässigkeit auf den Ölfeldern befaßt und für eine weitere Russifizierung der größtenteils
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