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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Freunde, Rene, oder nicht? Wie in alten Zeiten, was? Erinnerst du dich noch an die guten alten Zeiten?«
    »Ja, ich erinnere mich«, brummte Shade. »Jedes Mal, wenn ich in die Arrestzelle schaue.«
    Shade und Shuggie hatten zusammen eine finstere Kindheit durchgemacht und eine Jugend, die ganz den anstrengenden Leidenschaften des typischen weißen Unterschichtsteenagers gewidmet gewesen war. In den Nächten hatten sie, angetrieben von Furcht und Wut, von Stolz und Glück, Sachen angestellt, die häufig kriminell und manchmal nur fies waren. Wie das Schicksal es so wollte, entging Shade in sämtlichen Fällen der Strafverfolgung, bezog nur einmal Prügel von den Cops und entwuchs schließlich seinen kriminellen Neigungen, indem er sich dem Boxen widmete. In seinen Sportlerjahren entfernte er sich immer mehr von Shuggie und Tip und der ganzen Straßeneckengang. Seither versuchte er auf dem endlosen gewundenen Weg zu bleiben, der fälschlicherweise als schmal bezeichnet wurde.
    »Willst ’n Bier?«, fragte Tip.
    »Gern. Très bien, großer Bruder.« Shade griff in die Tasche, holte die in Alka-Seltzer-Folie verpackte Black Beauty heraus und steckte sie in den Mund. Tip reichte ihm ein Glas Bier, und Shade nahm einen großen Schluck. »Merci.«
    »Was hast du da grade geschluckt?«, erkundigte sich Shuggie.
    »Hab ’ne Nebenhöhlenentzündung«, antwortete Shade. »Vom schwülen Wetter. Also, Shuggie, stellen wir eins von Anfang an klar – ich folge dir, solange ich der Meinung bin, dass es irgendwo hinführt.«
    »Da mach dir mal keine Sorgen«, grinste Shuggie und winkte Tip. »Erzähl deinem tollen Bruder hier doch mal, was du im Frechette Park gesehen hast, Tippy. Sag ihm, wohin ich ihn mitnehm.«
    »Also«, sagte Tip und lehnte sich an die Bar, die massigen Arme vor der Brust verschränkt. »Ich war da drüben im Park, Rene, oben über Bum’s Hollow, und da seh ich an einem Picknicktisch Bobby Gillette und noch zwei andere Typen. Das war gestern, und sie haben alle die Köpfe zusammengesteckt, weißt du, und bestimmt was ausgebrütet.«
    »Bobby Gillette? Wer ist denn Bobby Gillette?«
    »Er ist ein Kerl, der nie was kapiert«, erklärte Tip. »Eins sag ich dir, ich kenn den Knaben, der kapiert nie was.«
    »So was gibt’s öfter«, sagte Shade.
    »Hey, erinnerst du dich nicht?«, mischte sich jetzt Shuggie ein. »Vor ein paar Jahren? Nein? Also, Bobby Gillette war der, der ein Spiel hat hochgehen lassen, das Delbert McKechnie gehörte, und dann hat er mich drangekriegt. Er ist ein harter Brocken, wohnt irgendwo auf’m Land, in ’nem Dreckskaff namens Gumbo. Kennst du das Nest?«
    »Ich war schon mal dort.«
    »Damals hat Mr. B. sich Sorgen gemacht wegen der bevorstehenden Wahl von Bürgermeister Gene, also mussten wir die Sache ruhig angehen lassen. Deshalb hat Gerry Bell schließlich Gillette für einen Einbruch hochgehen lassen, von dem der noch nie was gehört hatte, aber das Gericht hat ihn trotzdem verurteilt.« Shuggie nippte an seinem Drink, und seine Protzringe funkelten im Halbdunkel der Kneipe. »Der Knabe hat seine Zeit abgesessen und ist vor einem Monat wieder rausgekommen.«
    »Davon hab ich noch nie was gehört«, sagte Shade. »Kein Wort.«
    »Das kommt davon, dass du dich nie blicken lässt«, erwiderte Shuggie und drehte sich auf dem Hocker rum, sodass er Shade ins Gesicht sah. »Wenn du noch mein Freund wärst, würdest du solche Sachen mitkriegen.«
    »Ganz bestimmt würde ich da so einiges mitkriegen.«
    »Wenn wir Freunde wären, würdest du die richtig wichtigen Sachen erfahren, Rene.«
    »Du weißt doch gar keine richtig wichtigen Sachen, Shuggie.«
    »Idiot«, sagte Shuggie Zeck, der sich selbst für die Verkörperung des Horatio-Alger-Mythos hielt, wenn Horatio genauso schlau gewesen wäre und genauso gute Beziehungen gehabt hätte. Aber er fand nicht, dass Ehrgeiz unbedingt mit Lug und Trug einherging. »Hab ich dich jemals angelogen?«, fragte er. »Jemals?«
    Shade, dessen Vertrauen durch frühere Erfahrungen stark erschüttert war, schlürfte sein Bier und sagte dann: »Damals, als wir vier Kisten Old Grand Dad von Langlois’ Liquor gestohlen und unter der Brücke versteckt haben. Da hast du gesagt, jemand hätte uns das Zeug geklaut, aber ich hab immer gewusst, dass du dir’s unter den Nagel gerissen hast.«
    Shuggie zuckte zusammen. »Herrgott«, sagte er, »das war doch in grauer Vorzeit. Aber ich hab dir damals schon gesagt, worauf’s ankommt, und das würd ich auch jetzt

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