Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
nicht.«
»Okay«, sagte Shade und ging hinüber zu den liegenden Männern. Er stellte sich an ihre Füße und zielte mit dem Gewehr beiläufig auf die Rücken. »Hustet mal die Autoschlüssel aus, ja? Einer nach dem andern greift jetzt in die Tasche, holt seinen Schlüssel raus und wirft ihn auf den Boden.« Er trat dem Mann ganz links gegen den Knöchel. »Du fängst an, mein Freund.«
Während Shade sich die Schlüssel aushändigen ließ, hob Shuggie den Stuhl auf und sagte: »Setz dich, Bobby. Du hast letztes Mal Glück gehabt, und ich nehme nicht an, du willst dein Schicksal noch mal herausfordern.« Gillette nahm Platz und ließ den Oberkörper auf den Tisch sinken, wobei ein bisschen Blut auf die Zeitschrift tropfte, die er ganz friedlich gelesen hatte, als der Tag für ihn eine so böse Wendung genommen hatte. Shuggie sagte: »Aber wie du gesehen hast, können wir dich jederzeit aufstöbern, und wenn du uns reingelegt hast, kommen wir wieder, Ro-bär! Und wahrscheinlich sind wir dann ganz schlecht gelaunt und beleidigt, ja, tödlich beleidigt, weil ein confrère wie du uns angeschmiert hat.«
»Hab ich nicht, Zeck.«
Shade hatte inzwischen alle Schlüssel eingesammelt, bis auf die von Gillette. Der geprügelte Mann legte seine Schlüssel unaufgefordert auf den Tisch. Shade stopfte alle in die Hosentasche.
»Ich werf sie auf die Straße, bevor der Asphalt anfängt«, sagte er. Dann klopfte er mit dem abgesägten Doppellauf auf den Tisch, damit Gillette ihn anschaute. »Komm bloß nicht auf die Idee, uns in Frogtown zu suchen, Mann, denn womöglich lässt dich das Glück im Stich, und du findest uns tatsächlich.«
Mit diesen Worten verabschiedete sich das Paar. Shuggie blieb an der Tür kurz stehen und sagte: »Das war alles rein geschäftlich, Leute – nichts für ungut.«
Auf dem kurvigen Weg vom Boylin’ Kettle zur geteerten Straße wirbelte Shuggies El Dorado eine riesige Staubwolke auf und schlängelte sich durch die Kurven. Shuggie trat auf die Bremse, als sie die asphaltierte Straße erreichten, und Shade kurbelte das Fenster herunter und schleuderte die klimpernde Schlüsselsammlung in die Landschaft. Dann trat Shuggie aufs Gaspedal und fuhr von dem weichen Staub auf den harten Asphalt und bretterte in Richtung Stadt, wobei er wie eine gesengte Sau fuhr und die ganze Straße brauchte.
»Gut gemacht«, sagte er zu Shade. »Hast du schon mal davon gehört, von dieser Gang – The Wing?«
»Nein«, antwortete Shade. Das Gewehr lag auf dem Boden zwischen seinen Füßen, falls die Cajuns eine geheime Abkürzung kannten und um eines unangenehmen Wiedersehens willen irgendwo lauerten. »Es gibt Dutzende solcher Gefängnis-Gangs, Shuggie. The Wing kenn ich nicht.«
»Wir können uns ja mal umhören«, sagte Shuggie. Die Flasche Kirschwodka lag auf dem Vordersitz, und er griff danach. »Ich muss sagen, das ist echt gut gelaufen.« Er grinste. Als er merkte, dass Shade nicht zurückgrinste, fügte er hinzu: »Tu nicht so ernst, Rene – ich kenn dich doch. Du warst total high da drin, Mann. Dir hat das gefallen, und sag jetzt bloß nicht, ich hätte unrecht.«
Shade grinste, streckte die Beine aus und lehnte sich in den weichen Sitz zurück.
»Diese Sache verdeutlicht das Dilemma eines Polizisten«, sagte er und lachte, halb erleichtert, halb belustigt. »Jeder, der je was verbrochen hat, weiß, dass es einen Riesenspaß machen kann.«
»Das wissen wir beide doch schon ’ne ganze Weile«, sagte Shuggie. »Manchmal fallen mir Sachen ein, die wir vor Jahren angestellt haben, Rene, als wir noch ein richtig motiviertes Team waren.« Bedächtig schüttelte er seinen Lockenkopf. »Ich schäme mich nie dafür.«
»Glaub ich dir gern«, sagte Shade traurig und starrte aus dem Fenster. »Ich manchmal schon.«
Der Tag war an Shade vorbeigerauscht. Die Erschöpfung machte ihn dumpf, das Speed hektisch, und als die Sonne hinter den hohen Sumpfbäumen versank und tiefe Schatten über die Straße fielen, da versank Shade wieder in Erinnerungen. Es war der Tag von Shuggies Hochzeit mit seiner klug gewählten Braut, und in der St. Peter’s Cathedral gab es nur noch Stehplätze, denn der Langlois-Clan war riesig und weit verzweigt, mit Verwandten in allen Stadtvierteln, und die Zecks hatten auch nicht gerade wenig Freunde. Shade war in einen Frack gesteckt worden, weil er gemeinsam mit Rudy Regot und Kenny Poncelet zu den Trauzeugen gehörte, während Shuggies älterer Bruder Bill die Rolle des »Best Man«
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