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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Streifenwagen im Rückspiegel, mit rotierendem Warnlicht, das rote Leuchtpfeile auf Shades Wagen schleuderte. Er sah die Röte auf Wandas Gesicht, das plötzlich ganz starr wurde.
    »Zeck«, murmelte er tonlos. Irgendwie wusste er, dass Shuggie hinter ihm war. »Mouton.«
    Leon, der tote Junge, lehnte den Kopf an Wandas Schulter. Sie schob ihn weg, drehte sich um und schaute aus dem Rückfenster.
    » O h Mann, er ist es – Shuggie Zeck!«, sagte sie leise wimmernd. » O h Mannomannomann.«
    Shade trat das Gaspedal durch, und der blaue Nova schoss davon. Die Räder fegten über das harte Kopfsteinpflaster, es klang wie ein Düsenjäger in den Wolken. An der Voltaire Street bog er scharf links ein.
    Wanda warf sich nach vorn und klammerte sich an seine Schultern, dass sich ihre Fingernägel in seine Haut bohrten.
    »Du kannst mich nicht an Shuggie ausliefern. Das darfst du nicht! Der macht mich fertig!« Aus dieser Entfernung verströmte sie einen metallischen Geruch von Blut und Angstschweiß und dazu eine Spur Jasmin. »Das musst du mir versprechen! Du musst …«
    »Halt die Klappe!« Shade warf einen raschen Blick in den Rückspiegel. »Setz dich wieder hin und duck dich.«
    Sein Gehirn legte einen anderen Gang ein, bei dem das Handeln vom klaren Denken unabhängig wurde. Er fuhr über eine Asphaltschwelle in der Straße, bog in einen Gebrauchtwagen-Parkplatz ein, eine Abkürzung zu einer bestimmten schmalen Gasse. Sie waren auf Laughlin’s Car Lot. Der Gebrauchtwagenhandel gehörte zum alten Viertel. Hierher waren er und Shuggie gegangen, damals, nachdem sie Pulverdampf und heiße Lieder im Strand-Kino gesehen hatten, die Haare zur Schmachtlocke gestylt, und sie hatten einen verbogenen Drahtkleiderbügel durch den Fensterverschluss eines heißbegehrten 57er Chevy gesteckt, weil sie durch die Seitenstraßen gondeln wollten, die Haare im Fahrtwind, und da hatte Laughlin persönlich einen Schuss über ihre Köpfe weg gefeuert, aber mit ihren kräftigen jungen Beinen hatten sie es geschafft, sich in Sicherheit zu bringen. Shades Gedanken hatten sich in jener Nacht und in anderen Nächten um die Frage gedreht, wie weit man mit schlechter Gesellschaft, schlechten Entscheidungen und einer fragwürdigen Persönlichkeit kam. Wenn man lebte, echt lebte, machte man Fehler, aber um am Leben zu bleiben, musste man aus ihnen lernen. Damals wie heute.
    Shades Nova war klein und leicht und schlängelte sich mühelos durch das Labyrinth der geparkten Wagen. Wandas Schluchzen und ihre flehenden Bitten an Gott, er möge sie retten, bildeten eine konstante Geräuschkulisse. Shade bog in die Second Street ein, in die andere Richtung, und Wandas Stimme überschlug sich, als sie über den Bordstein donnerten. Der Streifenwagen verfolgte sie immer noch, nur ein paar Autolängen entfernt. St. Joe’s Hospital war bereits in Sichtweite, ein großes, helles Gebäude, gleich hinter den dunklen Backsteinen der St. Peter’s Cathedral.
    Würden sie es wagen, vor dem Krankenhaus loszuballern?
    Wanda jaulte auf dem Rücksitz: »Diese Cops bringen mich um. Pass doch auf, du kannst …«
    »Klappe!«
    Shade umklammerte das Lenkrad. Die panische Heftigkeit in seiner Stimme überraschte ihn.
    Die Reifen quietschten melodisch, als er in der Second Street um eine Kurve bog. Es wurde langsam hell, und ein Stück weiter die Straße hinunter fuhren bereits die ersten Autos. Die Straße selbst, mit ihren Unebenheiten und Schlaglöchern, sorgte für eine sinnlose Rumpellitanei. Das Gedächtnis hat seinen eigenen Rhythmus, und Shade bewegte lautlos die Lippen, während ihm die traurige Atmosphäre eines bestimmten regnerischen Nachmittags in den Sinn kam, als sie sich unter der Highway-Brücke auf einer Sandbank geschlagen hatten, warum, wusste er nicht mehr … und der warme Überschwang eines Frühlingsabends, als ihre Schritte diese Straße hinuntergetrabt waren, genau diese Straße, weil sie vor Father Geoghegan davonlaufen mussten, der ein unwiderstehliches Ziel ihrer Blasrohre darstellte. Eine Erinnerung nach der anderen tauchte auf, wie die roten Perlen an dem Rosenkranz, den er früher des Öfteren in der Hand gehabt hatte. Und die ganze Zeit über hörte Shade das Gegurgel und Geröchel des verletzten Mannes auf dem Rücksitz, das klang wie ein Fisch auf dem Trockenen.
    Es gab eine Abkürzung über den Kirchparkplatz, die er schon sein ganzes Leben benutzte, vor allem, seit er Autofahren gelernt hatte. Wenn man diese Abkürzung nahm, hatte man

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