Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
Levi’s. Dann gab er ihm sein Hemd.
»Hier ist dein Hemd«, sagte er.
Lunch zog sich an.
Dolly hockte zu einem gelben Ball zusammengekauert auf der Couch. Sie sagte: »Es wird Zeit, den Tatsachen ins Auge zu sehen – ich hab ein Problem. Ein ernstes Problem.«
»Also, wo ist er?«, fragte Lunch.
Gewitterwolken hatten sich über dem Golf zusammengebraut und rollten schnell auf die Küste zu.
Rodney hatte sich wieder gesetzt und antwortete mit tränenfeuchten Augen: »Ich weiß es doch nicht. Er stammt von drüben aus der Bayou-Gegend. Die Stadt heißt, glaub ich, St. Bruno. Ein ziemliches Stück flussaufwärts von N’Awlins. Wenn er zu Hause gesagt hat, hat er das gemeint.«
»Von dem Ort hab ich schon mal gehört«, sagte Lunch. »Und du meinst, da würde er hingehen?«
»Es ist ein ernstes Problem«, warf Dolly ein, »und der allererste Schritt ist, dass ich mir eingestehe, es zu haben.«
»Wer weiß?«, sagte Rodney. »Mehr kann ich dir auch nicht sagen.« Er sah Dolly an, sprach aber mit Lunch. »Ich schätze, du musstest es einfach tun. Du musstest mein Leben ruinieren.«
»Nun hör mir mal zu«, sagte Lunch. Er hatte seine Hose an, und sein schwarzes Hemd hing offen und lose herunter. Er stand vornübergebeugt, zog die Reißverschlüsse seiner Stiefeletten zu. Sein schwarzer Hut hüpfte auf und ab. »Es ist, wie dir jeder sterbende alte Mann auf der ganzen weiten Welt sagen wird, Rodney – wenn du ins Alter kommst und keine Hemmungen mehr kennst und zurückdenkst über die ganze Spanne deines Lebens, na ja, dann weinst du nicht den Weibern nach, die du hattest, sondern denen, die du nicht hattest.«
»Ist das so?«, sagte Rodney.
»Aber sicher doch.« Lunch bürstete Fusseln von seiner Hose und richtete sich auf. »Ich mein, Weiberhintern ist Weiberhintern, und deine Frau ist weiß Gott ein Zuckerpüppchen, und sie wär eine, bei der ich’s ganz bestimmt eines Tages bedauern würde, wenn ich sie nicht gehabt hätte. Das solltest du als Kompliment nehmen, verstehst du?«
»Honey? «, sagte Dolly. » Baby? Du weißt, dass ich dich liebe, nicht wahr? Du weißt, dass ich dich liebe, aber ich weiß nicht, ob du mich liebst, mich genug liebst, um mir zu helfen, gegen diese furchtbare Angelegenheit anzukämpfen – gegen meine Sucht.«
Rodney drehte sich um und starrte sie an.
»Das ist nämlich mein Problem«, sagte sie. »Mein ernstes Problem. Ich bin süchtig – bis jetzt konnte ich der Tatsache noch nicht ins Auge sehen. Aber ’ne Sache wie die hier heute, na ja, es liegt nur an meiner Sucht, dass ich so tief gesunken bin. Sie hat mich dazu gebracht, die Liebe zu verraten, die uns verbindet, Honey, alles wegen meiner kranken, kranken, kranken Sucht nach diesem Marschierpulver.«
Lunch nahm Zigaretten und Koks vom Tisch und hielt einen Moment inne, um Dolly ein breites Grinsen zu schenken.
Rodney starrte sie noch immer an.
»So ’ner Sucht ist mächtig schwer beizukommen, aber mit dir an meiner Seite könnte ich dagegen ankämpfen. Drogen kann man besiegen, Baby. Wirst du mir zur Seite stehen, wenn ich diese Sache bekämpfe?«
Rodney sagte: »Du hast dich gerade von Lunch flachlegen lassen, hier in meinem Haus, und da willst du wissen, ob ich zu dir stehe?«
»Es ist eine Krankheit«, sagte sie flehentlich. »Was hier passiert ist, beweist doch nur, wie krank ich bin. Krank, krank, krank.« Sie hob die Hände vors Gesicht und machte dahinter ein paar Tränen locker. »Ich bin süchtig – ich brauche dich, ich brauche dich, ich brauche dich, dass du mir hilfst, dagegen anzukämpfen.«
Rodney wischte sich mit einem Wurstfinger eine Träne von der Wange.
»Wir würden also völlig verzichten, auf alles Ko-kain ?«, fr agte er.
»Mm-hm.«
»Kein Coke-und-Cognac-Frühstück mehr?«
»Äh-äh.«
»Wir halten uns von allen Menschen fern, die schlechten Einfluss haben?«
»Mmm-hmm.«
Dolly schickte weiterhin Tränen an die Front.
»Das alles müssten wir durchhalten«, sagte er, »um eine Chance zu haben. Um überhaupt die kleinste Chance zu haben. Und aufs Bier sollten wir am besten auch gleich verzichten. Wirkt als Einstiegsdroge. Desgleichen französische Weine und Pot – Ende damit.«
Dolly ließ die Hände von ihrem feuchten, angesäuerten Gesicht sinken.
»Französische Weine und Pot können nicht groß schaden, Honey«, sagte sie belehrend. »Die sicherste Methode ist, sich aus einer Sucht rauszuschleichen und nicht gleich auf kalten Entzug zu machen.«
Lunch lachte laut und
Weitere Kostenlose Bücher