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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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achselzuckend.
    »Tip kocht aber guten Kaffee«, räumte Etta ein.
    »Das mein ich ja«, sagte John X.
    John X Shade, Billardhai ohne Zukunft, war auf der Suche nach einem Gebot für sein Balabushka-Queue. Im Laufe der Jahre hatte er das Queue vielleicht fünfundzwanzigmal versetzt, und bei ein paar Gelegenheiten hatte er es zeitweilig in der Obhut von Kerlen gelassen, bei denen er in der Kreide stand. Er setzte den Koffer auf der Bar im Catfish ab und öffnete ihn. Das Queue lag in den mit grünem Filz ausgeschlagenen Vertiefungen, und John X umschloss es mit der Hand und ließ sie den schlanken Schaft entlanggleiten. Er rieb mit den Fingern über eine leichte Kerbe im Holz gleich unter der Ferrule, die schon da gewesen war, als er das Queue bei einem Volksfest in Johnson City bekommen hatte, während dem er gespielt hatte, als seine Hand noch eine sichere Brücke stellen konnte und sein Stoß elegant kam, ja manchmal brillant, und jede Spelunke oder Eckkneipe mit einem Acht-Fuß-Tisch als Karrierestufe fungiert hatte.
    »Was würdest du mir hierfür geben, Sohn? Du weißt doch, was das wert ist, oder?«
    Tip beugte sich von seiner Seite der Bar über die Theke. Er trug eine weiße Schürze und roch heftig nach Aftershave.
    »Ich weiß, dass der Stock da ’ne Menge wert ist für einen, dem danach ist, ’ne Menge für ihn zu löhnen«, sagte er. »Aber so einer bin ich nicht.«
    »Teufel auch«, sagte John X. »Für jeden mit Grips im Kopf ist er ’ne Menge wert. George Balabushka ist tot, Sohn, und daher ist der Stock hier als Geldanlage gut wie Mutterboden – will sagen, so einen stellt keiner mehr her.«
    Dieses Geschacher mit dem eigenen Sohn war nicht gerade erquicklich, aber glücklicherweise war auch keine große Gästeschar zugegen, die es mitbekommen hätte. Die Mittagstischhektik war vorüber. Hinten vertrödelten zwei Biker-Pärchen mit Harley- T -Shirts und Tätowierungen auf dem Leib bei leeren Tellern und vollen Krügen die Zeit mit Diskussionen über die vielen Strafzettel, die sie sich verdient, aber nicht bezahlt hatten, über die Instandhaltung von Motorrädern und vergleichbare häusliche Bagatellen. Näher bei der Tür saßen drei Catfish-Stammgäste, zwei von ihnen ältere Männer, der dritte eine vierschrötige, übellaunige Frau in den Dreißigern, jeder an einem Tisch für sich, pichelnd und gelegentlich mal ein paar Worte wechselnd. Etta saß am Ende der Bar auf einem Hocker neben Tips Hippie-Freundin. Die Kleine verputzte Hush Puppys, und Gretel verschlang ihr Revolverblatt.
    Stew Lassein saß zwei Hocker von den Mädels entfernt und brütete über seinem Bier. Er trug eine weiße Hose, ein weißes Hemd und einen breiten grellbunten Schlips um den Hals, aufgetakelt für einen Tanztee, der schon seit vierzig Jahren vorbei war. Seine ohnehin blasse Haut war noch blasser, regelrecht ausgelaugt, und er schien dringend etwas Schlaf zu brauchen.
    Der Bursche war schon immer zu kleingeistig für die große weite Welt, dachte John X. Der Spießer stand doch tatsächlich auf Lawrence Welk und Kate Smith! Und wurde Vorarbeiter , du heiliger Bimbam! Jetzt endete er geradewegs da, wo einer endet, der nie krumme Wege geht.
    Lass das mal sacken.
    »Ist echt ’n hübsches Ding«, sagte Tip, der das Queue betrachtete. »Ich spiel nicht viel, und mir liegt auch nichts daran, aber ich weiß, dass das Ding wertvoll ist.« Er nahm das hintere Ende aus dem Koffer und wog es in der Hand. »Lass mich mal sehen, wie du ein paar Stöße damit machst, Johnny.«
    »Nein, nein, ich bitte dich, Tippy«, sagte John X. »Ich krieg keine sechs Kugeln mehr versenkt, nicht mal, wenn sie direkt vor der Tasche liegen. Es ist furchtbar.«
    »Stoß doch einfach mal, damit ich den Stock im Spiel seh, bevor ich mein Geld drauf setze.«
    »Versuchst du, mich in Verlegenheit zu bringen, Junge?«
    Tip hob eine Hand an die langen braunen Haare, schnippte eine verirrte Strähne hinters Ohr und strich sie glatt, bis sie sich in die Pomadeparade eingeordnet hatte. Sein Kopf war gesenkt, als studiere er das Queue.
    »Also gut, hör zu«, sagte er. »Ich werd diesen Stock für dich verwahren, Dad, und ich leg dir fünfzig drauf aus.«
    »Fünfzig?« John griff nach den Queue-Teilen und schraubte sie zusammen. Das Balabushka hatte einen blaugewickelten Griff, eine glänzende Messingverschraubung und eine feine Kreuzschraffierung auf dem unteren Schaft, war aber ansonsten unauffällig und rein zweckdienlich beschaffen. »Ich brauch

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