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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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fragte Gretel. »Beantworten Sie mir das, Mister, und ich hör Ihnen weiter zu. Wenn Sie aber keine Antwort haben, dann sollten Sie schweigen.«
    Das Trio verfiel daraufhin in Schweigen, und ein jeder widmete sich seinen ganz persönlichen Gedankengängen: Gretel sann über das Revolverblatt nach, Stew über die Vergangenheit und Etta über die Anzahl von Gesichtern in Daddys Spiegel.
    Weiter hinten im Raum, am einzigen Pooltisch, stand John X mit hängenden Schultern, das Queue in der Hand, und sah zu, wie ein simpler dünner Ball auf die Neun die Ecktasche um gut drei Zentimeter verfehlte.
    »Zu stark angeschnitten«, sagte er. Er positionierte einen diagonalen Bandenstoß auf die Drei und stieß sie in Richtung Seitenloch, aber sie ging daneben und rollte auf die untere Tischhälfte. »Die Banden sind zu weich.«
    »Vielleicht«, räumte Tip ein. »Könnte schon sein.«
    John X versenkte zwei Hundertprozentige hintereinander, obwohl sein Stoß sogar bei denen tattrig war.
    »So geht’s schon eher«, sagte er. Er beugte sich über den Tisch, seine Augen liefen voll Wasser, seine Brücke schwankte, und er verpatzte sechs gerade Bälle, von denen er auch nicht einen einzigen versenkte. »Was hab ich dir gesagt, Sohn?« Er schraubte das Queue langsam auseinander, als er in Richtung Bar vorausging. Dort legte er das Queue in den Koffer und ließ ihn zuschnappen. »Schrecklich. Echt schrecklich. Ich bin verflucht. Der Pool-Gott hasst mich, und der ist ein verdammt gemeiner und engherziger Bastard, wenn er einen hasst. Ich hab dir ja gesagt, es ist schrecklich.«
    Tip verstaute das Queue unter der Bar.
    »Das war nicht gelogen«, sagte er. »Du hast gesagt, wie es ist.«
    John X ließ das Eis in seinem Glas klirren.
    »Ich bin verflucht. Ich hätte mir einen Job besorgen sollen, vor vierzig Jahren. Vielleicht fünfzig. Genau. Einen Job . Aber ich dachte: Ich und Arbeit? Die Einzigen, die Arbeit mögen, sind die Esel, und sogar die strecken ihr den Arsch entgegen. Welche Zukunft hat Arbeit, wenn ich den Stock da nehmen und den Tisch drei, vier Stunden ohne Niederlage kann – verstehst du, was ich damit sagen will, Tippy?«
    »Aber klar doch. Du bist verflucht.«
    »Das trifft den Nagel auf den Kopf, Sohn.«
    Tip ging an die Registrierkasse, klatschte ein paar Fünfer und Zehner zusammen und fächerte das Geld auf der Bar aus.
    »Für dich«, sagte er zu John X. »Und, Johnny, ich bin zwar nicht deine Mutter oder so, aber meinst du nicht, du solltest vielleicht mal was essen?«
    »Könnte durchaus passieren, dass ich später ’nen Pfirsich zu mir nehm«, erwiderte John X aufgekratzt. Bis auf einen Zwanziger strich er das Geld ein. Er stopfte die Rolle Geldscheine in die Hosentasche und schwenkte den Zwanziger über dem Kopf, ließ ihn durch die Luft sirren, bevor er ihn auf die Bar knallte. »Erfrischungen für alle, Tippy! Versorg sie allesamt. Gib den Prachtmädels am Ende der Bar noch mal das, was immer sie trinken, und spendier dem alten Stew hier auch ’nen Drinks, und zwar auf meine Kosten.«
    Stew schnaubte verächtlich.
    »Ich will aber keinen Drink spendiert, nicht von einem Spinner wie dir«, sagte er.
    John X hangelte sich an der Bar entlang in Richtung Stew, ließ aber ein gutes Stück polierten Thekengeländers zwischen sich und ihm. Er klopfte eine Zigarette aus der Schachtel und setzte sie gleich unter Dampf. »Stimmt was nicht mit meinem Geld, Stewart?«
    »Nenn mich nicht Stewart. So wie du’s sagst, hört es sich wie eine Beleidigung an.«
    »Das Bier vor deiner Nase ist doch schon mausetot, Stew«, sagte John X mit einem Achselzucken. »He, Tip, zwei quicklebendige Whiskeys hier rüber.«
    Über die breite Theke gebeugt, in seinem weißen Aufzug, mit seinem weißen Haar und der fahlen Haut, die dünnen Lippen über den teuren blendendweißen Zähnen verächtlich geschürzt, erschien Stew wie ein gehässiger Geist. Ein Geist mit einem Groll.
    »Ich nehme keinen Drink, der mit schlechtem Geld spendiert wird«, sagte er.
    Tip stellte die Drinks vor den Männern auf die Theke und beugte den Kopf, um ihr Gespräch mitzubekommen.
    »Wie kann Geld schlecht sein?«, fragte John X. Er spuckte in die Hände und strich mit den Fingern durch seine gewellten Haare. »Wenn es zahlt, dann zählt es.«
    »Das hier zählt«, sagte Tip und nahm den Zwanziger von der Theke.
    Stew schnappte sein Glas und kippte den Drink auf den Fußboden.
    »Wenn dafür nicht gearbeitet wurde«, sagte er, »ist es kein gutes

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