Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
abzufeuern. John X versuchte es noch mal mit einem Jab, der aber um einen halben Meter zu kurz geriet, und Stew stürzte sich nach vorn. Sein wilder Schwinger ging total daneben, und die zwei alten Holzköpfe kollidierten. Beide Männer wandten sich zur Seite, rieben sich die Stirn und grunzten vor Schmerz.
Tip wischte sich die Hände an der Schürze ab und sagte: »Schnapp ihn dir, Johnny. Versohl ihm den Arsch.«
Stew hatte sich zuerst wieder berappelt und hämmerte John X eine Rechte gegen die Schulter. Dieser verzog das Gesicht, fing an, auf Zehenspitzen zu tänzeln, und versuchte es mit seitlichen Ausfällen, aber von all dem Getänzel wurde ihm schwindlig, und es sah so aus, als würde er gleich in Ohnmacht fallen.
»Ich hab da noch einen Grund für dich«, knurrte er biestig. »Della hat mir gesagt, ich tanz viel besser als du.«
»Aha!«
»Doch, hat sie wirklich – im Half-a-Heaven.«
»Aha!«
»Und zwar bei ’ner ganz langsamen Nummer.«
Stew bewegte sich vorwärts, die knorrigen Fäuste geballt und seitlich tief am Körper, und John X verpasste ihm noch eine kurze Gerade auf den Rüssel, sodass Blut floss. Doch dann fing er sich von Stews tieffliegenden Fäusten zwei Aufwärtshaken in den Magen ein, landete wieder auf dem Arsch und sah nach oben.
Mit einem schnellen Sprung war Stew an der Bar und setzte hastig seine falschen Zähne ein, damit die Beleidigung, die er plante, auch ja zu verstehen war. »So schmeckt die Stärke eines Mannes !«, triumphierte er, ließ sein Gebiss wieder aus dem Mund rutschen und legte es zurück auf die Bar.
»Mann?«, murmelte John X, als er aufstand. »Du bist doch nur ein kleiner Hosenscheißer, der sich als Mann verkleidet. Das warst du schon immer, Stew.«
Obwohl er sich wegen seiner schmerzenden Rippen ein wenig krümmte, verfiel John X wieder ins leichte Tänzeln und versuchte, die taktische Strategie von Billy Conn nachzuahmen, seinem Idol von einst. Er trippelte von links nach rechts und wieder zurück, ließ einen doppelten Jab los und landete einen davon auf Stews Oberlippe und Nasenspitze. Allmählich zierten Blutspritzer die Brust von Stews Geistergewandung, aber plötzlich schnitt John X eine Grimasse, sank auf ein Knie und kotzte zusammengekauert auf die Messingstange am Fuß der Theke.
Gretel und Etta hatten dagestanden und der Schlägerei der alten Männer zugeschaut, wobei Etta sich nervös über den Kopf strich und Gretel ihre schwangere Wölbung massierte. Jetzt riss sich Etta von Gretels Hand los und rannte zu John X. Tränen schossen ihr in die Augen.
»Dad!« Sie warf sich von hinten auf John X, schlang ihm die Arme um den Hals. »Dad!«
Gretel sagte: »Kann ich das hier stoppen? Kann ich dem hier Einhalt gebieten?« Sie näherte sich Stew. »Schämen sollten Sie sich! Sie bluten ganz schlimm – Gewalt ist doch keine Lösung!«
Eine Art Antwort kam von Stew, aber die Wörter blieben schleierhaft und wurden auch nur halbherzig hervorgebracht.
»Weitermachen! Weitermachen! Weitermachen!«, erscholl der Bikerpärchen-Chor.
»Hier, Gretel«, sagte Tip und reichte ihr ein paar Servietten.
Gretel nahm sie entgegen und machte sich daran, Stews blutige Nase abzutupfen. Er stand nur da, ließ es geschehen und gab seltsam summende Geräusche von sich, während ihre Finger das Blut von seiner Nase und seinen Lippen wischten.
Einen Augenblick später wich er zurück. Seine Augen waren wild und rot. Er schob das Gebiss wieder an Ort und Stelle. Seine Hände zitterten, und sein Atem ging flach. Er sah zur Tür und schüttelte den Kopf.
»Mann, ich weiß es nicht!«, sagte er. »Ich weiß es noch immer nicht.«
Dann ging er an John X vorbei, zur Tür und hinaus.
Als die Tür zufiel, halfen die jungen Damen John X hoch und setzten ihn auf einen Barhocker. Etta klammerte sich an ihn, während Gretel mit einer Serviette das Erbrochene um seinen Mund abwischte.
»Maker’s Mark«, verlangte er. »Einen doppelten.«
Das gesamte Vorkommnis schien Tip zu belustigen, und als er seinem Vater den Drink vorsetzte, sagte er: »Als Dad magst du vielleicht lausig sein, aber als alter Schweinepriester, den man als Saufkumpan gern um sich hat, Johnny, bist du ’ne geballte Ladung Spaß. Kein Scherz.«
»Ich bin gerührt«, sagte John X.
»Was hat er denn für ’n Problem mit dir, hä? Konnte ihm da wirklich nicht ganz folgen.«
Nach einem Beruhigungsschluck sagte John X: »Sieh mal, Sohn, in jenen Jahren, die nun vorbei sind, war ich stets einer von den
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