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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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bestimmten Situationen war Blanchette absolut nutzlos. Shade merkte gleich, dass das hier so ein Fall war. Er bat How, im Wagen zu warten. Blanchette legte einfach zu viel Wert auf sein Image als dicker, großspuriger Cop, der sich von niemandem einschüchtern ließ.
    »Okay«, sagte er. »In Ordnung. Aber wenn deine Methode nichts bringt, bin ich an der Reihe.«
    Nachdem die Tür hinter Blanchette ins Schloss gefallen war, setzte sich Sundown auf den unbesetzten Schreibtisch. Er öffnete einen Knopf an seinem gelben Sommerhemd und rieb seine Stiefelspitzen hinten an den Hosenbeinen.
    »Worum geht’s, Shade?«
    »Bei der Versammlung da drin«, Shade machte eine Kopfbewegung zur weißen Tür, »da geht’s doch um Rankin, stimmt’s? Teilt ihr euch schon die Beute, oder was?«
    »Mann, Sie haben Nerven, meine Fresse. Weshalb, verdammt noch mal, sollten wir uns denn nicht über Alvin unterhalten? Wir haben ihn alle gekannt, er war unser Mann, und er war groß im Kommen. Gibt’s denn was Wichtigeres, das sich in letzter Zeit ereignet hat?«
    »Ich hab mich nur gefragt, ob Sie vielleicht wissen, wem wir die Löcher in Rankins Schädel zu verdanken haben, oder irgendwas in der Richtung.«
    Sundown breitete die Arme aus und betrachtete sie.
    »Ich kann keine Federn entdecken«, sagte er. »Und meine Stimme klingt nicht wie Gezwitscher, so weit ich weiß.« Er ließ die Arme wieder sinken. »Was bringt Sie auf die Idee, dass ich irgendwelche Erklärungen abzugeben hätte?«
    »Keine Ahnung. Manche Leute trauern, wenn jemand, der ihnen wichtig war, den Löffel abgibt.«
    »Trauern? Freundchen, in meiner Welt führt Trauer zu Taten und nicht dazu, sich Krokodilstränen abzuringen und nach Gott zu schreien und so ’n Scheiß.«
    Die weiße Tür öffnete sich, und Powers Jones streckte den Kopf herein.
    »Sollen wir warten, oder was?«, fragte er.
    »Oder was«, antwortete Sundown. Er ging im Zimmer auf und ab, dann schaute er auf die Uhr. »Ich muss los.« Er wandte sich an Jones. »Ihr bleibt schön brav sitzen.« Mit energischen Schritten marschierte er zum Ausgang. »Wenn Sie mit mir reden wollen, Shade, dann kommen Sie mit. Ansonsten au revoir, Sie Kaulquappe.«
    Sie traten ins Freie, und Shade machte Blanchette Zeichen, er solle im Wagen bleiben. Die beiden Männer schlenderten zunächst schweigend den Gehweg entlang, einen Gehweg, der zwischendurch verschwand und dann plötzlich wieder auftauchte – wie eine Achterbahn, erschaffen von den unbesiegbaren Bäumen, die nicht daran dachten, sich von ein bisschen Beton unterkriegen zu lassen.
    »Ich muss meine Tochter abholen«, erklärte Sundown schließlich. »Ich möchte nicht, dass sie in dieser Gegend allein rumläuft. Sie wissen schon. Nach der Schule hat sie Klavierunterricht. Sie wird bestimmt ein zweiter Keith Jarrett, bloß hübscher.«
    »Hey, hey, hey.«
    Derselbe Mann, überlegte Shade, derselbe Mann hatte auf der Highschool Football gespielt wie ein junger Gott, furios, als hätte er eine Rechnung zu begleichen, eine Vendetta, die alle mit einbezog, die es wagten, sich ihm entgegenzustellen. Er war berühmt dafür, Gegner, die er als besonders hassenswert einstufte, in Grund und Boden zu stampfen. Dabei war es vollkommen gleichgültig, ob sie gerade mit dem Ball unterwegs waren oder auf der Seitenlinie standen. Dank seines Stils endete manche eher harmlose Offensive mit einer Unmenge von Strafpunkten, und viele Angriffe hatte er ganz einfach mit seinen knochenbrecherischen Schlägen gestoppt. Trotz seiner Größe war er flink wie ein Wiesel, aber selbst verzweifelte Trainer hatten Angst vor seinem – im wahrsten Sinne des Wortes – überwältigenden Spiel. Man erzählte sich, dass er seine jetzigen Unternehmungen – Kreditgeschäfte, Glücksspiel und alle Arten von Diebstählen – mit der gleichen brutalen Konsequenz betrieb.
    Trotz eines seltsamen Respekts für die talentierte Bosheit dieses Mannes wäre Shade gern derjenige gewesen, der ihn für möglichst lange Zeit hinter Schloss und Riegel brachte.
    Ein paar zerlumpte Jungen schossen mit ihren BMX -Rädern aus den Gassen und Hinterhöfen und flitzten um die Männer herum. Direkt vor ihrer Nase trainierten die Jungen ihre Kunststücke, und schließlich probierten sie ganz frech, die beiden zu erpressen. »Ich könnte Ihnen kostenlos über die Schuhe fahren«, sagten sie, »aber für ’nen Quarter könnt ich genau vorbeizielen.« Als den Jungunternehmern klar wurde, dass kein Schutzgeld heraussprang,

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