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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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ausräumte. Shade, dem es noch nie großen Spaß gemacht hatte, einen klar unterlegenen Gegner zusammenzuschlagen, verschonte Lester. Stattdessen nahm er den mageren Achtzehnjährigen von hinten in den Schwitzkasten und öffnete mit der freien Hand seinen Gürtel. Dann stieß er ihn zu Boden und zog ihm die Hose runter. Als der Möchtegerndieb dann über den sonnenbeschienenen Hof stolperte, um hinter dem nächstbesten Hydranten Schutz zu suchen, rief Shade ihm nach: »Ich hinterlege sie für dich in der Krimi-Abteilung der Bücherei.« Als Shade davonfuhr, hatte Lester immer noch hinter dem Hydranten gekauert.
    »Als Dieb hast du noch einiges zu lernen, Lester.«
    »Tja«, erwiderte Lester und zog seine schmalen Schultern hoch. »Ich kann nichts besonders gut.«
    Blanchette lachte.
    »Dein Strafregister könnte das jederzeit bestätigen.«
    »Wenigstens bemühe ich mich«, schmollte Lester. »Ich könnt auch vom Sozialamt leben – wahrscheinlich.«
    Shade erhob sich und öffnete einen weiteren Hemdknopf. Seine Klamotten fühlten sich an wie frische Farbe, und auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Er blickte zu Blanchette, der erstaunlicherweise immer noch seinen schlankmachenden Trenchcoat trug. Shade überlegte, ob Eitelkeit stärker war als Hitze.
    »Himmelarsch, Lester«, brummte Shade. »Aus dir ist nichts rauszukriegen. Wozu sind wir denn Freunde, wenn du mir nicht sagst, was ich hören will?«
    »Machen Sie sich bloß nicht über mich lustig«, sagte Lester. »Sie können mich nicht leiden. Wir waren noch nie Freunde.« Mit seinen runden braunen Augen starrte er Shade direkt ins Gesicht. »Niemand kann mich leiden, so war’s schon immer, also hören Sie auf, mich zu verscheißern.«
    »Also, wenn du was hörst …«
    »Okay. Aber von den Leuten, die ich kenne, hat keiner viel in Pan Fry zu tun, Mann. Wenn sie uns da drüben erwischen, dann spielen sie Hau den Lukas mit uns. Und raten Sie mal, wer der Lukas ist.«
    »Du hast mich überzeugt«, erwiderte Shade. »Gekauft. Aber wenn ich rausfinde, dass du lügst …«
    Jetzt lachte Lester.
    »Wahrscheinlich buchten Sie mich dann ein, oder? Sicher in das finsterste Loch, das Sie finden können.«
    Shade und Blanchette feixten ebenfalls, denn Lester gehörte zu jener Gattung, der es egal war, ob sie hinter Gittern saß oder frei herumlief. Ins Schloss fallende Stahltüren waren für Lester nichts Neues, für ihn waren sie so normal wie Mamas Milch und Kekse.
    »Das würde dir so gefallen«, sagte Shade. »Das nächste Mal, wenn wir dich erwischen, lassen wir den Hut rumgehen und sammeln Geld und schicken dich in ’ne Lehre, und dann lernst du gefälligst so viel über Elektrogeräte, dass du dir selbst das Licht ausblasen kannst.«
    »Ich hab schon Schlimmeres überlebt«, meinte Lester, während er den beiden Detectives zur Tür folgte.
    Auf der schmalen Pflasterstraße blieben Shade und Blanchette einen Moment stehen und überlegten, wem sie als Nächstes einen unnützen Besuch abstatten sollten.
    »Es ist schon fast vier«, sagte Blanchette. »Wir verschwenden unsere Zeit. Keiner von diesen Pennern hier bricht ins Haus eines Stadtratsabgeordneten ein, vergisst plötzlich, weshalb er gekommen ist, und schießt dann, weil er schon mal da ist, den Kerl über den Haufen.«
    »Das weißt du, und das weiß ich, aber ansonsten schert sich keiner einen Scheißdreck drum.«
    Blanchette hielt seinen Trenchcoat auf und fächelte sich damit Luft zu. Wortlos ging er zu einem geparkten Wagen und setzte sich auf die Kühlerhaube. Seine kurzen Beine baumelten über die Stoßstange, und er musterte fasziniert den verdreckten Gehweg, als sähe er dort sein Spiegelbild. Von Zeit zu Zeit räusperte er sich; Schweiß rann über sein Gesicht wie Sprünge auf dem Antlitz eines Porzellanbuddhas.
    »Mir gefällt das alles gar nicht«, meinte Shade. »Wenn wir nicht schleunigst das tun, was wir unserer Meinung nach tun sollten, wird garantiert noch einer dran glauben.«
    »Dann sind aber nicht wir schuld.«
    »Wir sind an überhaupt nichts schuld.«
    »Das sollte auf unseren Dienstmarken stehen.«
    »Wir sind an allem schuld.«
    »Au weia. Hör bloß mit diesem kindischen Scheiß auf, Rene. Ich bin nicht in Stimmung.«
    Die Sonne spiegelte sich in den umliegenden Fensterscheiben, und vom Gehweg stieg die Hitze auf, als wollte sie neue Foltermethoden ersinnen.
    »Sundown Phillips«, sagte Shade.
    Blanchette schob die Lippen vor und nickte langsam.
    »Stimmt«, erwiderte er. »Wenn

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