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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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und meinte: »Mal sehen, ob ich das Mistding in Gang kriege.«
    »Hm. Wohin fahren wir?«
    »Zu meiner Hütte, da drüben.« Ledoux machte eine Kopfbewegung in Richtung Sumpf. »In ein paar Tagen fahren wir auf die andere Seite. Dort holt dich dann einer ab. Niemand kriegt was mit.«
    »Kann ich meiner Freundin ’ne Nachricht schicken?«
    »Verdammt, ja, du kleiner Hosenscheißer. Schick ihr ’ne Nachricht und am besten ’ne Landkarte dazu, dann kann sie dir Kekse und noch ’nen Trupp Nigger mit Kanonen schicken. So ’n beschissener Quatsch.«
    Jewel wich erschrocken zurück.
    »Ist ja gut«, sagte er kleinlaut.
    Der Motor sprang sofort an.
    »Mon dieu«, sagte Ledoux. »Läuft ja wie geschmiert.«
    Ledoux machte einen Schritt zurück und holte die Flinte vom Dock. Er hielt sie locker am Abzugsbügel.
    »Na los, steig ein. Sei vorsichtig, dass du es nicht zum Kentern bringst.«
    Während Jewel ins Boot kletterte, steckte Ledoux eine Patrone in den Lauf. Jewel stolperte zur Bootsbank.
    »Tut mir leid, Kleiner«, sagte Ledoux. »Aber du wirst dran glauben müssen.«
    Jewel kauerte ängstlich auf dem Boden.
    »Ich werd nichts verraten, Mann! Ich kenn doch gar keinen, dem ich was verraten könnte!«
    Am besten ließ sich die Angelegenheit mit einem Kopfschuss erledigen. Aber das Boot schwankte, und Jewel rutschte herum. Ledoux zielte zwischen Jewels Augen, nickte und betätigte den Abzug. Klick. Weiter nichts.
    Er versuchte es mit einer neuen Patrone, aber der Auswurfschlitz klemmte.
    »Verdammt!«, schrie Ledoux und fügte dann rasch hinzu: »Hast bestanden, Kleiner. Duncan hat gesagt, du wärst cool wie Eisbärscheiße, und das stimmt wirklich.«
    »Was soll der Scheiß?«
    »Sollte ’ne Art Mutprobe sein, Cobb. Bravo. Warst echt gut. Jetzt sind wir Partner, denke ich.«
    »Mann, was soll die Scheiße?«
    Das Motorengeräusch war sehr laut. Ledoux beugte sich zu Jewel, um sich besser mit ihm unterhalten zu können.
    »Ich geh schnell noch mal zurück ins Haus, mon ami, und hol uns was zu essen. Ich hoffe, du magst Corned Beef. Du wartest auf mich, ja? Dann geht’s gleich los.«
    Jewel nickte langsam, ohne seinen neuen Partner eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
    Auf halbem Weg zum Haus hörte Ledoux das Geräusch des Motors, drehte sich um und sah, wie das Boot mit Jewel in der Nacht verschwand.
    Wütend schleuderte er die Flinte zu Boden und trat nach ihr, sodass sie vom Steg hinunterschlitterte.
    »Diese gottverdammten Scheißweiber!«, schrie er.
    Überall Wasser, nirgends eine sichere Stelle. Zuhause war weiter nichts als ein beschissener Hoffnungsschimmer, aber immer noch besser als das hier. Jewel versuchte, das Boot zu lenken, aber er wusste ja nicht, wohin. Schließlich nahm er Kurs auf die Bäume. Dort musste doch irgendwo Land sein.
    Ich werd den Fettwanst Duncan umlegen und seine ganze Sippschaft dazu. Denen zahl ich’s doppelt und dreifach heim.
    Innerhalb weniger Minuten fuhr das Boot auf Grund, auf eine unerwartete Landzunge mitten im Marais du Croche.
    Jewel Cobb saß auf der Bootsbank, schweigend und reglos. Lange Zeit wartete er, bis er sich traute, auszusteigen. Dann testete er argwöhnisch mit der Fußspitze den Boden. Anscheinend konnte man darauf laufen, also tat er das auch, wobei er bei jedem Schritt tiefer einsank.

19
    Während Rene Shade auf der Tecumseh Street nach Norden fuhr, dachte er darüber nach, wie sehr sich das Leben auf der Straße verändert hatte. Zurzeit seines Vaters hatte das Schädeleinschlagen als eine Art sportlicher Jux nach der Morgenmesse gegolten – zumindest hatte man das Shade augenzwinkernd erzählt –, und ein Messer war Zeichen der Feigheit. Allerdings war Shades Vater Ire. Sein Großvater Blanqui wiederum hatte stets einen Linoleumschneider mit gebogener Klinge dabeigehabt und oft keuchend und mit einem Atem, der entsetzlich nach billigen Zigarren stank, geübt, ihn mit einer einzigen bösartigen Bewegung aus der Tasche zu holen und aufzuklappen. Als Shade selbst in das Alter kam, spitze glänzende Schuhe zu tragen, betrachtete man Messer bereits als prosaisch und halbautomatische Pistolen als Zeichen weitblickender Reife. Und heute – heute kam es Shade oft vor, als hätte jeder einigermaßen fitte Fünfzehnjährige mindestens einmal mit einer unangemeldeten Armalite auf jemanden geschossen. Die Gewalt hatte jeden persönlichen Bezug verloren, der Selbsterhaltungstrieb hatte nichts mehr mit Stolz zu tun, stattdessen gab es jede Menge beschissener

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