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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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er.«
    »Ronnie sitzt im Knast.«
    »Ja, das Leben ist hart«, sagte Nicole. Offensichtlich gingen ihr ganz andere Dinge durch den Kopf. »Wenn Carol nicht bald auftaucht, musst du sie suchen gehen.«
    Genau in diesem Moment erschien Carol keuchend an der Hintertür, die Schuhe in der Hand. Nicole umarmte sie kurz, um ihre neueste Ausrede zu hören. Gewöhnlich hatte Carol sehr gute Entschuldigungen, aber heute erzählte sie die olle Kamelle von der leeren Autobatterie und dem langen Fußmarsch durch die mitternächtliche Stadt. Immerhin nahm sie Nicoles Platz hinter der Bar ein.
    Nachdem sie Maggie in Kenntnis gesetzt hatten, dass sie im Morgengrauen losfahren und erst nächste Woche zurückkommen würden, verließen Shade und Nicole die Bar und traten hinaus in die angenehm laue Luft eines Spätsommerabends im Mississippidelta.
    »Also«, sagte Nicole. »Wie sieht unser Plan aus?«
    »Wir brauchen keinen Plan«, erwiderte Shade geheimnisvoll. »Der Rest der Nacht ist vorbestimmt.«
    »Wie das?«
    »Ich hab heute Morgen mein Horoskop gelesen«, flüsterte Shade, während er sie an sich zog, die Träger des prallgefüllten Tops von ihren Schultern streifte und ihre nackten Brüste umfasste. »Da stand’s schwarz auf weiß.«
    Sie schafften es zum Wagen hinter der Kneipe, lehnten sich an ihn und veranstalteten unter einer trüben Straßenlaterne ein paar feuchte Zungenübungen.
    »Hmmm«, sagte Nicole. »Jetzt bin ich neugierig – was stand denn in deinem Horoskop?«
    »Dass ich dich heute Nacht so richtig durchvögeln soll.«
    »Oh, das ist alles?« Nicole zog ihr Hemd zur Taille herunter und faltete die Hände über dem Kopf. »Aber es stand nicht drin, wo?«
    »Baby, diese Entscheidung haben die Sterne dir überlassen.«

3
    Wanda Bone Bouvier hatte das gewisse Etwas, das einen Hund gegen die Gitterstäbe seines Zwingers springen lässt. Diese Eigenschaft war teilweise ein Geschenk der Natur, teilweise erlernt von Pin-up-Kalendern und Tanya-Tucker-Schallplatten. Schon früh war Wanda klar geworden, dass ihr Körper Reize besaß, die Möchtegern-Romeos losziehen ließ, um Liebesöl und Deckenspiegel und genügend Mut zu erwerben. Bis zu ihrem fünfzehnten Geburtstag war sie unangefochten durch Schulkorridore und Billardhallen, öffentliche Parks und private Partys geschwebt. Zwar waren ihr die weichen Knie und heraushängenden Zungen in ihrer unmittelbaren Umgebung nicht entgangen, aber sie hatte nie auch nur mit der Wimper gezuckt. Sie fand diesen Effekt durchaus amüsant, bis zu ihrem schicksalsträchtigen sechzehnten Lebensjahr, als sie in der Abenddämmerung mit einer Freundin zum Rollschuhlaufen ging. Kurz vor Mitternacht war sie nach Hause gekommen – Hals über Kopf verliebt in einen Gangster um die vierzig.
    Und obwohl diese große Liebe sie verändert hatte, hatte das ihre Verehrer noch lange nicht aufgeben lassen. Ihr Hintern wurde öfter gekniffen als ein Babynäschen, und auch wenn sie kräftig zurückschlug, konnte sie dem kaum Einhalt gebieten. Seit Ronnie ins Braxton Federal eingefahren war, kam sie sich oft vor wie das Go-Go-Girl in den Träumen aller fremden Männer – so viele riefen ihr auf der Straße nach oder hielten sie an, um ihr zu sagen, dass sie permanent an sie denken mussten.
    Als Wanda in der Auffahrt vor dem zugigen Riesengebäude parkte, mit dem sie sich in ihrer Gefängnis-Witwenzeit begnügen musste, kam einer ihrer harmloseren Bewunderer vom einzigen Haus in der Nähe über die Straße und sagte: »Ich hatte heute früher Schluss, Wanda. Darf ich die Tüte tragen?«
    »Lass mal, Leon«, erwiderte sie, wuchtete die Tüte hoch und hielt sie mit beiden Händen fest. »Ich bin zwar müde heute Abend, aber das bisschen Bier kann ich schon noch schleppen.«
    Leon Roe war ein paar Jahre älter als Wanda und arbeitete in einem Hüftwackel-Schuppen namens Rio, Rio als Discjockey. Dank seiner traurig gebückten Haltung war er keine eins achtzig, dünn, mit braunen Schmachtlocken in der Stirn. Zu seinem schwarzen Jackett mit schmalem Revers trug er ein weißes Hemd und Schnurkrawatte, alles im wiederbelebten Rockabilly-Stil.
    »Wann darf ich dich endlich mal zum Lunch einladen?«, fragte er. Er benutzte diesen Satz, um zu zeigen, dass er zwar auf der Showbusiness-Leiter noch ganz unten stand, aber durchaus wusste, wie man sich gewählt ausdrückte.
    »Fängst du schon wieder damit an?«, sagte Wanda. »Ich tu nur das, was mir gefällt, Leon, und Lunch mit dir gehört leider nicht

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