Im Tal der flammenden Sonne - Roman

küssen?«
    »Wollte er das nicht?«
    »Ich bin mir nicht sicher, aber ich …« Sie verstummte.
    Jonathan zuckte zusammen. »Willst du damit sagen, du empfindest etwas für ihn?«
    »Vielleicht. Ich weiß es nicht.«
    »Meinst du nicht, du solltest es wissen, bevor er dich küsst?«
    »So etwas kann man nur fühlen, Jonathan, nicht wissen.«
    »Wie würdest du dich denn fühlen, wenn ich dich küsse?«
    »Willst du das denn?«
    »Seit ich dich das erste Mal gesehen habe.«
    »Warum hast du dann so lange gewartet?«
    »Ich dachte, du willst es vielleicht nicht.«
    »Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden«, sagte Arabella.
    Jonathan schwieg einen Augenblick. Dann beugte er sich zu ihr vor, und seine Lippen berührten sanft die ihren. Sie schauten einander an, schlossen die Augen, und ihr Kuss wurde leidenschaftlicher. Nach einer Ewigkeit lösten sie sich voneinander. Arabella sah Jonathan atemlos an: »Das hat mir sehr gefallen«, flüsterte sie. Sie wollte nicht zugeben, dass es ihr erster richtiger Kuss gewesen war, sah man von der flüchtigen Begegnung mit Stuart ab.
    »Und mir erst«, antwortete Jonathan lächelnd.
    Es war schon dunkel, als das Kängurufleisch endlich durchgebraten war. Hungrig versammelten sich alle um das Lagerfeuer. Arabella war so entspannt wie seit Tagen nicht mehr, denn Ritas schmerzstillendes Mittel hatte bei Wally Wunder gewirkt. Zum ersten Mal, seit er verwundet worden war, schlief er ruhig und friedlich.
    »Ich kann dir gar nicht genug danken, dass du Wally geholfen hast«, sagte Arabella zu Rita.
    »Es müsste jetzt alles gut mit ihm sein, Missus, aber es wird noch ein paar Tage dauern, bis das ganze Gift aus seinem Körper ist.«
    »Wo hast du so viel über Heilpflanzen gelernt, Rita?«
    »Von den Stammesältesten. Vor allem aber von meiner Mutter und meinem Vater. Mein Vater war kadaicha , und meine Mutter war eine Stammesheilerin.«
    »Wally wird dir dankbar sein. Er glaubte sterben zu müssen.«
    Rita verdrehte die Augen. »Wally denkt immer nur an sich selbst, Missus.«
    »Warum hast du es dir anders überlegt und ihm geholfen, Rita? Das lag doch nicht nur an den Drinks und den zusätzlichen Klavierstunden?«
    »Ich habe es nicht ihm zuliebe getan, sondern für Sie, Missus.«
    Arabella war überrascht. »Für mich?«
    »Ja. Sie sind noch sehr jung, Missus, aber Sie versuchen, das Richtige zu tun. Wenn Wally wieder gesund wird, hat er es vor allem Ihnen zu verdanken.« Nach diesen Worten erhob sich Rita und setzte sich zu Lily und Missy auf die andere Seite des Feuers.
    Arabella war erstaunt und erfreut zugleich über Ritas Lob. Erst jetzt erkannte sie, wie viel es ihr bedeutete. Man brauchte nicht viel Menschenkenntnis, um zu wissen, dass Rita mit Komplimenten sehr sparsam umging.
    Mit einem Mal schämte sich Arabella, dass sie Stuart gebeten hatte, Wallys Verband zu wechseln. Wenn Maggie davon wüsste, wäre sie bestimmt enttäuscht. Arabella beschloss, Stuart zu sagen, dass sie Wallys Pflege von nun an wieder selbst übernehmen würde.
    Verträumt sah sie hinauf zum Abendhimmel. Es war ein atemberaubender Anblick. In der klaren Wüstenluft schienen Abermillionen von Sternen am schwarzen, samtigen Himmel zu funkeln, und die Luft war kühl genug, um im Freien sitzen zu können. Der Rauch des Feuers hielt die Moskitos fern.
    Sie hatten einzelne Stücke des Kängurufleischs mit Buschgewürzen bestreut, in Papierrinde gewickelt und in den glühenden Scheiten des Feuers vergraben. Anfangs war Arabella der Gedanke, Kängurufleisch zu essen, zuwider gewesen, doch als es garte, musste sie zugeben, dass es verlockend roch. Die Frauen brieten außerdem Jamswurzeln im offenen Feuer. Als die Wurzeln gar waren, fischten sie sie mit einem Stock heraus und ließen sie ein wenig abkühlen, bevor sie die Asche abbürsteten. Dann wurde das Kängurufleisch aus dem Feuer geholt und ausgewickelt, damit es abkühlen konnte. Jonathan hatte in der Hotelküche ein paar Brote gebacken.
    Schließlich teilte Jimmy das Fleisch und die Wurzeln auf. Lily, Missy und ihre Kinder plapperten aufgeregt in ihrer Stammessprache und setzten sich im Schneidersitz ans Feuer, um ihre Mahlzeit einzunehmen. Arabella zögerte zuerst, das Kängurufleisch zu kosten, stellte dann aber fest, dass es sehr gut schmeckte, ebenso die Jamswurzeln, die Rita ihr auf den Teller gab.
    Nachdem alle gegessen hatten, begann Jimmy, das didgeridoo zu spielen, das mehr als einen Meter lange, flötenähnliche Instrument der