Im Tal der flammenden Sonne - Roman
Entsetzt schrie sie auf und versuchte, sich unter einen Baum zu flüchten, blieb aber mit dem Fuß an einer Wurzel hängen. Sie fiel der Länge nach hin und stürzte mit dem Gesicht in den Schlamm. Bevor sie sich aufrappeln konnte, kam der ohrenbetäubende Donnerschlag. Das Grau des Tages verwandelte sich in ein knisterndes, elektrisierendes Rosa. Arabella kam es vor, als würde sich jedes Haar an ihrem Körper aufstellen, als ein weiterer gezackter Blitz vom Himmel schoss und zwanzig Meter vor ihr in einen Baum einschlug. Sie versuchte, nach Jonathan zu rufen, hatte aber das Gefühl, als würde eine Riesenfaust ihr die Luft abdrücken. Arabella brachte keinen Laut hervor. Plötzlich war die Luft um sie herum von lautem Knistern und Knacken erfüllt. Arabella presste sich die Hände auf die Ohren. Sie sah, wie der Baum mit ohrenbetäubendem Krachen explodierte und der Stumpf Feuer fing. Äste und Zweige flogen durch die Luft. Die Umgebung war einen Augenblick lang in grelles, flackerndes Licht gehüllt.
Dann schrie jemand: »Arabella!«
»Ich bin hier«, rief sie matt. Sie war so benommen, dass sie nicht wusste, was geschehen war. Sie war fast taub, ihre Finger und Zehen kribbelten, und sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten.
»Arabella, ist alles in Ordnung?« Jonathan tauchte in Tonys Ölmantel vor ihr auf und nahm sie in die Arme. »Ist dir was passiert?«, fragte er voller Angst.
»Nein … ich bin nur gestolpert.«
»Gott sei Dank«, flüsterte er und zog sie an sich.
»Ich wollte zu dem Baum dort laufen.« Arabella blickte zu dem Baumstumpf hinüber, von dem nun nur noch Rauch aufstieg, da die Regenmassen die Flammen sofort gelöscht hatten. Hätte sie unter diesem Baum gestanden, wäre sie jetzt tot. Ihre Beine gaben nach, und sie sank kraftlos zusammen.
Jonathan nahm sie auf die Arme und trug sie zurück zum Hotel. In der Küche setzte er sie auf einen Stuhl und zog ihr den nassen Mantel aus. Er reichte ihr ein Handtuch, damit sie sich das Haar trocknen konnte, und machte ihr eine Tasse Tee.
»Warum bist du ohne mich weggegangen, Arabella?«, fragte er vorwurfsvoll. »Ich hatte dir doch gesagt, es ist zu gefährlich.«
»Ja, ich hätte auf dich warten sollen, aber ich dachte, du würdest mich nicht gehen lassen«, sagte sie. »Es tut mir leid.«
»Du bist in Sicherheit, alles andere zählt nicht.« Es konnte nicht in Worte fassen, wie erleichtert er war.
»Ich konnte die Aborigines nicht finden, Jonathan. Ich weiß nicht, wo sie sind.«
Ted kam in die Küche. »Aber ich«, sagte er.
Arabella blickte ihn gespannt an. »Und wo?«
»Sie haben im alten Haus der Farnsworths Unterschlupf gefunden.«
»Wo ist das?«, fragte Arabella. Sie hatte noch nie davon gehört.
»Es ist ein verlassenes altes Gebäude ungefähr eine halbe Meile hinter Frankie Millers Haus«, sagte Ted. »Bill Farnsworth hat früher mit seiner Aborigine-Frau dort gelebt, aber sie haben die Stadt vor ein paar Jahren verlassen. Wenn es mal richtig kalt oder nass wird, finden die Aborigines dort Unterschlupf.«
Arabella war erleichtert. »Wenigstens sind sie in Sicherheit und haben es trocken«, sagte sie.
»Trocken? Wohl kaum«, sagte Ted. »Das Dach in dem alten Haus hat noch mehr Löcher als dieses hier.«
»Vielleicht sollten wir sie zu uns holen«, sagte Arabella.
»Solange sie in einem Haus sind, kann ihnen nichts geschehen«, sagte Jonathan. »Du gehst bei diesem Wetter nicht noch einmal raus.« Er wollte nicht gebieterisch klingen, konnte es aber nicht zulassen, dass sie noch einmal ihr Leben aufs Spiel setzte.
Arabella versuchte gar nicht erst, ihm zu widersprechen.
In diesem Moment kam Stuart herein und sah erschrocken, in welchem Zustand Arabella sich befand. »Du lieber Himmel, was ist passiert? Wo bist du gewesen?«
»Ich wollte sehen, wo die Aborigines sind.«
»Bei diesem Unwetter? Du hättest ums Leben kommen können.«
»Genau das wäre um ein Haar geschehen«, sagte Jonathan, der es noch immer nicht fassen konnte, wie knapp sie dem Tod entkommen war.
Es regnete noch immer, als die Nacht hereinbrach. Arabella und Jonathan saßen mit Les, Ted, Stuart und Wally in der Bar. Sie hatten längst die Hoffnung aufgegeben, das Stadtfest veranstalten zu können. Bei dem strömenden Regen und dem Schlamm war niemand in der Lage, nach Marree zu kommen, und nach Feiern stand sicher auch keinem der Sinn.
Noch nie war Arabella so bedrückt gewesen. Ständig musste sie an Tony und Maggie denken und daran,
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