Im Tal der flammenden Sonne - Roman
bewegen zu können.
»Jetzt gibt es nicht mehr viel Hoffnung, dass wir hier ein Stadtfest veranstalten können«, sagte Jonathan mit tonloser Stimme, während er durchs Küchenfenster hinaus in den Regen starrte.
Arabella blickte ihn traurig an. Es war das erste Mal, dass Jonathans Stimme entmutigt klang. Sie hatte sich bisher immer darauf verlassen können, dass er sie aufmunterte, aber diesmal würde das wohl nicht geschehen.
»Wir haben unser Bestes getan, Arabella«, sagte Jonathan. »Aber auf das Wetter haben wir keinen Einfluss.«
Arabella nickte betrübt. Sie wandte sich wieder zum Fenster um. Sie konnte sich nicht erinnern, je eine solche Sintflut erlebt zu haben. Es schüttete wie aus Eimern. Blitze zuckten über den Himmel. Donner grollte.
Wenigstens, dachte Arabella voller Ironie, brauchten die Bürger von Marree sich vorerst keine Sorgen mehr um die Wasservorräte zu machen. Wenn sie daran dachte, wie sorgfältig sie sonst mit jedem Tropfen umgehen mussten! Und nun liefen die Regentanks über.
Mehrmals war Arabella hinüber in den Heuschober gehuscht, um sich davon zu überzeugen, dass mit dem Klavier alles in Ordnung war. Der Boden im Heuschober, der auf zwei Seiten offen war, war schlammig, überall standen Pfützen, doch nur die Beine des Klaviers waren nass geworden.
Jedes Mal, wenn Arabella zum Schuppen gegangen war, hatte sie nach den Aborigine-Kindern Ausschau gehalten, hatte sie aber nirgends entdecken können. Als es das letzte Mal geregnet hatte, hatten die Kinder draußen gespielt, aber diesmal, bei diesem Unwetter, hatten die Frauen sie wahrscheinlich in die Hütten geholt.
Auf einem der letzten Gänge zum Heuschober hatte Arabella zu ihrem Erstaunen gesehen, wie Uri aus dem Regen auf sie zugelaufen kam. »Wo kommst du denn her?«, hatte sie gerufen. Das Kameljunge war pitschnass gewesen und hatte völlig verängstigt gewirkt. Arabella hatte versucht, Uri zu beruhigen, indem sie seine Nase rieb und beruhigend auf ihn einredete. »Kein Wunder, dass dieses Wetter dir Angst einjagt«, hatte sie gesagt. »Du willst zu deiner Mutter, stimmt’s?«
Das Kameljunge hatte sich an sie gedrückt.
»Ich finde, du solltest bei Bess sein«, hatte Arabella gesagt. Sie hatte sich vergewissert, dass Paddy nicht auf der Suche nach Uri war, und ihn dann zu den Ställen geführt.
Arabella hatte beschlossen, Jonathan und den anderen nichts davon zu sagen. Wer konnte schon wissen, ob Paddy dann nicht auch davon erfuhr? Er würde sofort kommen und das Kameljunge holen. Arabella hatte die Stalltür geschlossen und sich in Schweigen gehüllt.
»Wo mögen Rita, Lily und Missy mit ihren Kindern sein?«, fragte sie nun.
»Keine Ahnung«, sagte Jonathan, der noch immer aus dem Fenster blickte, »aber ich bezweifle, dass ihre Hütten ihnen viel Schutz bieten.«
»Genau das habe ich auch gerade gedacht. Ich mache mir große Sorgen um sie. Ich werde mal nachsehen, ob mit ihnen alles in Ordnung ist«, sagte Arabella.
»Bei diesem Wetter kannst du nicht raus, Arabella. Es ist zu gefährlich.«
»Ich kann nicht untätig hier drinnen herumsitzen, wo es hübsch trocken ist, und mich fragen, was mit den Frauen und Kindern ist.«
»Ich werde Ted mal fragen. Vielleicht weiß er, wo sie sein könnten«, sagte Jonathan.
Während er zur Bar ging, suchte Arabella in dem Wandschrank im Flur nach Maggies Regenmantel und streifte ihn rasch über. Sie wusste, dass Jonathan sie nicht fortlassen würde, deshalb nutzte sie die Gelegenheit, sich heimlich auf die Suche nach Rita und den anderen zu machen.
Arabella war noch nicht weit gegangen, als sie sich bereits wünschte, sie hätte das Haus nicht verlassen. Sie sank bis zu den Knöcheln in den Schlamm ein; Blitze zuckten über den Himmel, der Regen prasselte so heftig herunter, dass sie kaum einen Meter weit sehen konnte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie ins Aborigine-Viertel gelangte. Der Donner grollte unheilverkündend, und ihr Herz pochte heftig.
Als Arabella endlich die Hütten erreichte, vor denen die Frauen üblicherweise ihr Lager aufschlugen, war alles leer und verlassen. Sie rief nach Rita, Lily und Missy, doch es kam keine Antwort. Jimmys und Rubys Hütte war unter dem Gewicht der Regenmassen fast eingestürzt, und auch von Ruby war keine Spur zu sehen. Arabella wusste nicht, wo sie sonst noch suchen sollte, und machte sich besorgt auf den Rückweg.
Auf einmal schlug ein Blitz in unmittelbarer Nähe ein. Es riss sie beinahe von den Beinen.
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