Im Tal der Mangobäume
er zu einer Chinesin, die in einem großen Rohrstuhl vor dem Laden ihres Sohnes saß und Zaubersprüche verkaufte. Für ihre Zaubereien hatte er kein Geld und keine Zeit, aber sie war eine gütige Frau und hörte ihm dennoch zu.
Während er sich mit ihr unterhielt, kam ein Leichenzug vorbei, dessen mit Federn geschmückte Pferde zum traurigen Rhythmus einer Trommel dahinschritten. Der mit einem schwarzen Tuch bedeckte Sarg befand sich in einem prächtigen, mit Fenstern versehenen Leichenwagen, dem uniformierte Reiter folgten, die Flaggen trugen.
Unwillkürlich starrte Ladjipiri hinüber.
»Jemand sterben«, erklärte er der Frau, und sie nickte. Doch damit war ihr Wissen noch nicht erschöpft.
»Soldatenmann stelben«, sagte sie. »Wulde getötet. Gloßes Unglück.«
Der Tod des Soldaten interessierte ihn nicht sonderlich. Er war zu sehr damit beschäftigt, die Blicke über die Schaulustigen schweifen zu lassen in der Hoffnung, darunter seine Söhne zu entdecken.
Das mangelnde Interesse an ihren Neuigkeiten grämte die chinesische Dame ein wenig.
»Schwalze ihn töten. Sehl böse Bulschen. Sind dlüben in Haft.«
Sie wies auf die abweisend wirkende Wache auf der anderen Straßenseite.
Sein Herz zog sich zusammen. »Was für Schwarze?« Sogleich kam er sich dumm vor. Seine Jungen brachten keine Polizisten um. Warum sollten sie? Wer hatte andererseits den Woppa-bura-Jungen erschossen? Und wieso?
Aber sie lieferte Neuigkeiten und ließ sich nicht aufhalten. Sie stellte ihr Tablett mit ihrem Tand und den Zaubersprüchen ab, hievte sich aus dem Stuhl und watschelte in den Laden, ohne sich um seine Bitten zu kümmern, sich die Mühe zu sparen.
Er stand an der Tür und spähte in den Raum, wo sie sich über eine Theke beugte, eine dünne Zeitung nahm und mit sorgenvoll gefurchtem Gesicht zurückkam.
»Das nicht deine Jungen?«
»Nein«, sagte er und schob die törichten Buchstaben beiseite.
»Du schauen!«, beharrte sie.
Sie hielt ihm die Zeitung vor die Nase, und er sah Bilder an seinen Augen vorbeischweben, zwei Bilder, dummes Zeug. Zeitungen waren ihm ein Rätsel, wie so viele Dinge.
Als er die Seite partout nicht ansehen wollte, rief sie ein weißes Mädchen um Hilfe, das gerade vorbeikam.
»Missie«, rief sie. »Du lesen Schleiben, ja?«
Das Mädchen blieb stehen. »Was soll ich denn lesen?«
»Namen. Namen von zwei Schwalzen.«
»O ja. Verstehe. Sie sind ungewöhnlich. Schwer auszusprechen. Aber ich werde es versuchen. Der da heißt Yu-ra-di. Und der Gu-da-la.«
Sie reichte die Zeitung zurück.
»Danke, Missie. Du kaufen Liebeszaubel?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf, ging um Ladjipiri herum und setzte ihren Weg fort.
Die Frau blickte in sein aschfahles Gesicht. »Das deine Jungen?«
Er brachte keinen Ton heraus. Stand wie angewurzelt da. Erschüttert darüber, dass ihre Zauber so machtvoll waren, dass sie mit einer Handbewegung die Jungen für ihn hatte finden können. Er ergriff diese Hand, drückte sie dankbar und schlurfte, mit einem Mal alt, in die Schatten einer nahe gelegenen Gasse.
Als er sich erholt hatte, soweit man sich von einem Schlag wie diesem je wieder erholen konnte, begab er sich in den Busch zurück, um nachzudenken. Er wollte unbedingt zur Wache und die Jungen sehen, sich vergewissern, dass es Gudala und Yuradi waren, und die unerlässlichen Fragen stellen, die einer Antwort harrten. Stimmte das? Was war geschehen? Wo war Banggu? War er ebenfalls tot? Aber er wagte es nicht, bis er sich sicher sein konnte, dass man ihn nicht auch einsperrte.
Am nächsten Morgen wussten alle Bescheid. Man wollte wissen, ob er die Bilder gesehen habe? Was denn vorgefallen sei? Aber Ladjipiri konnte nichts darauf antworten. Er machte sich auf die Suche nach den Stammesältesten.
»Dies«, erklärten die beiden alten Männer ihm, »ist eine äußerst ernste Angelegenheit. Man wirft ihnen vor, einen Polizisten getötet zu haben. Wenngleich wir wissen, dass deine Söhne gute Jungen sind, wird man ihre Unschuld nur schwer beweisen können.«
»Selbst wenn die weißen Männer einen Jungen erschossen haben, dessen Name nun nicht erwähnt werden kann? Er war ein Woppa-bura-Junge. Gerade mal achtzehn Jahre alt.«
»Wann ist das passiert?« Ihre Überraschung war echt. »Bist du sicher?«
»Wir haben ihn selbst nahe der Schlucht begraben.«
In dieser Art setzte sich die Unterhaltung fort. Stundenlang.
Zwei weitere Älteste gesellten sich mit der Nachricht zu ihnen, dass die Polizei nach
Weitere Kostenlose Bücher