Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
Geld endgültig nach Saigon getürmt. Als sie an die Vergangenheit dachte, überkam sie ein Schaudern, und sie zerkleinerte die Karotten heftiger als unbedingt nötig.
Aber die Erinnerungen ließen sie nicht los …
Als viertes Kind und zweitälteste Tochter einer verarmten Bauernfamilie war sie für ihre Eltern nur noch ein Handelsobjekt. Da die Reisernte durch die Dürre vernichtet worden war, brauchten ihre Eltern Geld, um die Familie zu ernähren. Denk nicht an diese schlimme Zeit und wie schrecklich sie wirklich gewesen ist , ermahnte sie sich. Aber die Albträume ließen sich nicht verscheuchen.
Doch die Vergangenheit war vorüber. Tran, Su Lee und Kim lebten jetzt legal in Australien und hatten die Möglichkeiten, das zu tun, was sie tun wollten. Kim konzentrierte ihre Gedanken auf die beiden Frauen und den Jungen,
die die Ruhe des Cottages gestört hatten. Würden sie nochmals kommen? Morgen hatte sie frei, und sie und Su Lee würden Ausschau nach ihnen halten.
»Bei Tageslicht sieht alles noch viel schlimmer aus als gestern Abend«, sagte Carla niedergeschlagen, während sie um das Cottage herum und auf ein großes Gebäude aus Blech und Steinen zugingen. Angie meinte, dass dort die Trauben gepresst, der Saft gegärt und der Wein in Flaschen abgefüllt worden war.
»Oh, ich weiß nicht«, Angie versuchte, positiv zu klingen. »Die Gebäude haben den Verschleiß von dreißig Jahren ganz gut überstanden, wenn man bedenkt, dass sie kaum instandgehalten wurden.«
»Der Makler hat mir gesagt, dass Otto, einer von Dads Arbeitern, sich bis zu seinem Tod vor drei Jahren so gut es ging um sie gekümmert hat. Der alte Mann hat auch die Rebstöcke im Winter beschnitten. Er nahm an, dass Dad eines Tages zurückkommen würde, und wollte bis dahin alles soweit auf dem Laufenden halten.«
»Aha. Deshalb sehen die Rebstöcke nicht ganz so wild aus, und die Weinkellerei scheint ebenfalls in recht gutem Zustand zu sein. Lass uns reingehen«, schlug Angie vor. Sie schloss die breite Tür auf und zog sie auf. Das Sonnenlicht strömte in das Innere des Schuppens und vermischte sich mit dem Licht, das durch die Dachfenster drang. Interessiert sah sie sich alles genau an, die Presse, die Fässer und andere Gegenstände. »Vor dreißig Jahren waren das ganz moderne Geräte. Und es gibt kaum Abnutzungserscheinungen. Otto hat die Maschinen wahrscheinlich geölt und alles in Ordnung gehalten, bis er nicht mehr in der Lage dazu war.«
»Das heißt«, grübelte Carla vor sich hin, »man braucht
nicht allzu viel zu ersetzen und kann sich die Kosten sparen, wenn... ich meine, wenn jemand die Weinkellerei übernehmen würde, wäre die Verarbeitung nicht allzu schwierig, oder?«
Angie dachte eine Weile über Carlas Frage nach, bevor sie antwortete. »Das glaube ich nicht, aber ein Experte, ein Weinbauingenieur, müsste das alles prüfen und sicherstellen, dass die Geräte in Ordnung sind.«
»Hey, Mum, schau mal dort drüben«, rief Sam von der anderen Seite des höhlenartigen Schuppens her. Er hatte in einer Ecke ein geheimes Flaschenlager und verschiedene kleine Eichenfässer entdeckt.
»Rolfes erster Jahrgangswein, vermute ich«, sagte Angie.
»Der ist wohl jetzt nicht mehr gut, oder?«, erkundigte sich Carla und nahm eine der grünen Flaschen, von denen es einige hundert gab, heraus. Auf dem Etikett stand ›Krugerhoff, Chardonnay, 1962‹ . Das war sehr lange her. Sie lächelte matt und legte die Flasche zu den anderen.
Angie verzog das Gesicht. »Weißwein. Vermutlich ist er nicht mehr gut, man kann ihn nicht einmal mehr als Essig verwenden.« Sie inspizierte die Fässer. »Sieht aus, als hätte Rolfe auch einige Fässer Portwein angesetzt. Wenn er inzwischen nicht sauer ist, die Mischung gut war und der alte Otto ihn immer wieder gedreht hat, ist der Geschmack jetzt wahrscheinlich weich und geschmeidig.« Sie deutete auf einige kleine Holzkisten. »Wahrscheinlich hatte er vor, zur Feier der ersten Ernte einen Gedenkwein herauszubringen.«
Sam zog Carla am Arm. »Komm, Mum, lass uns die Weinstöcke ansehen. Und den Fluss würde ich auch gerne sehen. Meine Lehrerin sagte, dass man in australischen Flüssen Yabbys fangen kann.«
»Was ist ein Yabby?« Carla lächelte über Sams Begeisterung. Er war ein kleines Temperamentsbündel.
»Das ist ein Flusskrebs, ein Verwandter der Garnele, glaube ich«, erklärte Angie.
Carlas Lächeln wurde breiter. Sam schien Australien zu gefallen, und das war gut so, wenn... Gestern
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