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Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga

Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga

Titel: Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Wilding
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hatten und das hastig davonrannte. Carla schaltete das Licht an. Die alte Glühbirne flackerte, dann platzte sie, und der Raum lag erneut im Halbdunkel. Carla ging mit Sam in die Küche und machte dort Licht. Sie hatte mehr Glück, denn die Glühbirne blieb heil. Sie drehte den Kran am Spülstein auf, um die Wasserleitung zu prüfen. Ein fürchterliches Beben erschütterte die Wände. Zunächst kamen nur wenige Tropfen, aber dann platzte das Wasser geradezu aus der Leitung, wohl das erste Mal seit Jahrzehnten. Der rostige Strahl mischte sich mit dem Staub vom Boden des Spülbeckens aus rostfreiem Stahl. Dann wurde das Wasser allmählich klarer, bis es ganz sauber aussah und Carla den Wasserhahn wieder zudrehte.
    »Das eine Schlafzimmer ist ein Büro«, sagte Angie, als sie zu Carla in die Küche kam.
    Plötzlich wurde Carla voll bewusst, wo sie sich befand. Warum sie hier war. Und dass vor langer Zeit ihr Vater das Licht angeknipst und den Wasserhahn aufgedreht hatte, wie sie es soeben getan hatte, und auf dem Sofa gegenüber dem Kamin gesessen hatte. Er hatte die Zimmer in seinem Tagebuch nacheinander kurz beschrieben, und nachdem sie es in den letzten zwei Wochen so oft gelesen hatte, kannte sie den Inhalt fast auswendig. Sie wollte nicht in das Schlafzimmer gehen, wo er und Marta sich geliebt hatten. Aber sicher würden Angie und Sam es seltsam finden, wenn sie es nicht tun würde.

    Draußen wütete das Gewitter mit einer beeindruckenden Licht- und Klangvorstellung. Der Regen donnerte auf das Dach des Cottages. Bisher gab es keine undichten Stellen. Eine Zeit lang standen sie am zerbrochenen Fenster im Wohnzimmer und schauten hinaus. Blitze erhellten die Gebäude und das Grundstück, wo die Reben gestanden hatten. Das weißblaue Licht des Blitzes ließ alles gespenstisch wirken. Carla erschauderte, nicht aufgrund der Kälte, sondern wegen der Erinnerungen. Vor langer Zeit war Krugerhoff der ganze Stolz ihres Vaters gewesen, und in seinem Tagebuch stand, dass er sich Hoffnungen …
    »Was für ein Dreckloch«, murmelte Sam.
    »Das ist kein Dreckloch, Sam, das Cottage ist nur seit ewig langer Zeit nicht mehr bewohnt. Dort hat keiner mehr gewohnt, seit deine Mutter geboren wurde«, erklärte Angie. Sie sah Carlas Reaktion, die Traurigkeit in ihren Augen. »Man muss es nur sauber machen, neu streichen und neue Möbel hineinstellen, dann ist es bestimmt wieder schön.«
    »Mmm, vielleicht.« Sam klang nicht gerade überzeugt, aber nach einigem Nachdenken fügte er hinzu: »Es ist viel größer als unsere Wohnung in Christchurch. Können wir uns die anderen Gebäude ansehen, wenn der Regen aufhört?«
    Carla legte den Arm um ihn. »Nein, es wird bald dunkel. Das verschieben wir auf morgen. Morgen nach dem Frühstück sehen wir es uns genauer an.«
    »Okay. Weißt du, Mum«, Sam sah zu Carla auf, »ich habe ein komisches Gefühl hier drinnen«, er legte die Hand auf sein Herz, »weil ich weiß, dass Großvater früher hier gewohnt hat.«
    Carla lächelte ihren Sohn an. »Ich auch, Sam. Ich auch«, sagte sie leise.

6
    W ährend das Gewitter tobte, spähten drei Augenpaare durch ein verrostetes Loch in der Mauer der Weinkellerei und sahen, dass zum ersten Mal Licht im Cottage brannte.
    »Diese verdammten illegalen Siedler«, brummte der junge Mann. Für einen Vietnamesen war er ziemlich groß und muskulös von der Arbeit im Weinbau. Er spuckte vor Abscheu auf den Boden.
    »Das sind keine illegalen Siedler, Tran. Die könnten keinen Strom anmachen«, entgegnete Kim Loong ihrem Bruder. Sie war dreißig Zentimeter größer als das Kind und fünf Jahre älter als der junge Mann.
    »Sind wir nicht illega... illegale Siedler?«, fragte das Kind in stockendem Englisch.
    »Das stimmt. Na und, Su Lee?« Tran blickte Kim an und sprach leise, als würde er ein Geheimnis verraten. »Vor kurzem waren eine Menge Leute hier. Etwas wird geschehen«, prophezeite er. »Wir verschwinden besser von hier, ehe sie uns entdecken. Wir sind jetzt drei Monate hier und haben etwas Geld gespart. Wir könnten in eine große Stadt gehen, vielleicht Adelaide, wo es eine Menge Arbeit gibt.«
    Kim schüttelte den Kopf. »Arbeit ist im Valley nicht schwer zu kriegen, sogar nach der Ernte, weil die Leute weiterziehen und Arbeit für uns hinterlassen. Es ist besser, wenn wir hierbleiben. Wir haben ein Dach über dem Kopf und genug zu essen. Wir müssten viel mehr sparen, bevor wir in eine große Stadt gehen.« Sie seufzte. »In Australien ist alles so

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