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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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die getrockneten Bananen- und Guavenscheiben, die sie in Mérida gekauft hatten. Er schob Otto Bierbrauer alles hin und gab ihm eine der beiden Feldflaschen. »Trinken Sie die leer«, meinte er und gab Anavera die andere. »Ich gehe und suche eine Wasserstelle, an der wir sie auffüllen können.«
    Dankbar trank Anavera. Das lauwarme Wasser war eine Erlösung. Einen Rest ließ sie in der Flasche und gab ihn Sanchez Torrijas Sohn. »Sie auch«, sagte sie.
    »Ich bin sicher, dass Sie, wenn Sie sich hinter dem großen Tempel in den Wald schlagen, früher oder später den heiligen Cenote erreichen«, erklärte Otto Bierbrauer, der nicht mehr ganz so elend aussah und seine Lebensgeister wiederfand. »Jedenfalls, wenn mich die Erinnerung an meine Karte, die mir ja leider abhandenkam, nicht täuscht.«
    »Den heiligen Cenote?«
    »Das Wasserloch, nach dem dieser Ort benannt ist. Es heißt, das Volk der Itza habe in diesen tiefen natürlichen Brunnen Jungfrauen als Opfer geworfen. Oh!« Er patschte sich auf den Mund. »Das hätte ich jetzt besser nicht gesagt, oder? Aber keine Sorge, sprechende Kreuze gibt es dort gewiss nicht.« Den nächsten Patscher erhielt Sanchez Torrijas Sohn, der neben ihm stand, auf den Schenkel. Er zuckte zusammen, sagte aber nichts. Seine Augen flackerten.
    »Ich komme mit«, hörte Anavera sich sagen.
    Er hob die Hände. »Sie sollten sich ausruhen.«
    »Ich komme mit«, wiederholte sie und sah ihm an, dass er erleichtert war. Sie war es auch und wusste nicht, warum. Seite an Seite zogen sie los.
    Sie hatte ihn auf Bahnhöfen, auf den Gängen der Züge und im Gewimmel in Veracruz beobachtet. Jetzt sah sie, wie er den Blättern und Ranken des Urwalds auswich, als wären sie menschliche Hände, und wie seine Schultern sich verkrampften. Ich hätte ihn niemals schlagen dürfen, durchfuhr es sie. Es war grausam. Für ihn ist die kleinste Berührung Schlag genug. Mit viel mehr Kraftaufwand als nötig erkämpfte er ihnen den Weg, den Otto Bierbrauer ihnen beschrieben hatte. Gut möglich, dass der kleine Münchner, der schließlich zum ersten Mal hier war, sich irrte. Aber er irrte sich nicht.
    Ihre Kleider trieften vor Schweiß, als sie die Lichtung mit dem heiligen Cenote erreichten. Tief im bewachsenen Kalkgestein ruhte das Wasserloch. Sumpflilien und Seerosen sprossen auf dem spiegelnden Grün der Oberfläche, und darüber schwirrten handtellergroße Libellen. Es war leicht begreiflich, warum dem Volk der Itza dieser Ort als heilig galt, so schön und verborgen und verzaubert, wie er war. Als Anavera niederkniete, um zu trinken, sah sie eine rotwangige Schildkröte zurück ins Wasser schlüpfen. Neid auf das Tier erfasste sie.
    Sanchez Torrijas Sohn kniete sich in einigem Abstand ans Ufer und beugte sich vor, um das klare Wasser in seine Hände zu schöpfen und dann die Flaschen zu füllen. Sie wollte ihm nicht zusehen, aber sie hätte sich so wenig abwenden können wie vorhin von Kukulkans Pyramide. Er spritzte sich Wasser auf Brust und Gesicht und schüttete dann den Inhalt einer Flasche über seinen Rücken. Als er ihren Blick bemerkte, hob er ihr die andere Flasche entgegen. Sie ging zu ihm und tat es ihm nach.
    Das nasse Hemd umschloss seinen Rücken, zeichnete die Wirbel des Rückgrats und die Schulterblätter nach. Die Muskeln der Schultern waren noch immer verkrampft. Der Anblick tat ihr weh. Ehe sie sich anders besinnen konnte, hatte sie ihm die Hände auf die Schultern gelegt wie in dem Hotel in Veracruz. Nur waren dort seine Schultern unter Schichten von Stoff verborgen gewesen, während ihre Finger heute unter dem dünnen Leinen Muskeln und Sehnen ertasteten. Sachte fuhr sie ihm über die Verhärtungen. Reglos hielt er still. Irgendwann stand er auf und zog sie mit sich in die Höhe.
    Sie standen einander gegenüber, so dicht, dass sie die fiebrige Wärme seines Körpers wahrnahm und glaubte seinen Herzschlag zu spüren. So aufgepeitscht wie ihren eigenen. Sein Atem traf ihr Gesicht. In seinen langen Wimpern hingen Wassertropfen, und die Augen darunter brannten. Alles Licht, das die spiegelnde Wasserfläche gefangen hatte, schien mit einem Schlag zu verlöschen, die Hitze wich, und dann brach der Himmel auf. Mit ohrenbetäubendem Geprassel ergoss sich der Regen über ihnen. Wie um sie zu schützen, schlossen sich seine Arme um ihre Taille, und ihre Arme schlossen sich um seinen Hals. Sie reckte den Kopf, er senkte den seinen, und ihre Lippen prallten aufeinander. In ihrem Kopf waren keine

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