Im Tal der wilden Blumen (Bianca) (German Edition)
einige davon ausprobieren, sobald sie sich eingearbeitet hatte.
Sie betraten das Haus durch den Vordereingang. Colt nutzte die Gelegenheit, ihr den Rest des Erdgeschosses zu zeigen. Von der rustikal eingerichteten Eingangsdiele führte eine wunderschöne Holztreppe mit geschnitztem Geländer in den ersten Stock. Rechts davon lagen ein großzügiges Wohnzimmer mit gewölbter Balkendecke und ein Fernsehzimmer mit Kamin und rot-grün karierten Polstermöbeln.
Links befand sich das Esszimmer, in dem ein großer antiker Eichentisch stand. Geena zählte zwölf Stühle. Außerdem gab es neben der geräumigen Küche und ihrem Zimmer, die sie schon kannte, noch ein Arbeitszimmer mit Schaukästen voller Trophäen und eine große Garderobe aus Geweihen.
„Lindsey geht es gerade nicht besonders gut, daher werde ich ihr und Travis etwas zu essen bringen“, erklärte Hank, als sie die Küche betraten. Der Tisch war bereits gedeckt.
„Das kann ich doch übernehmen“, sagte Colt. „Ich bin schneller wieder zurück.“
„Aber es macht mir nichts aus.“
„Mit dem Gipsbein musst du zu Fuß gehen. Ich dagegen bin in zwei Sekunden mit dem Auto da.“ Colt ließ keinen Widerspruch zu. Er war wirklich unglaublich hilfsbereit und verantwortungsbewusst.
Hank erwiderte nichts, doch Geena sah ihm an, dass ihm Colts Vorschlag nicht passte, auch wenn ihr schleierhaft war, wieso. Colts Argumente waren schließlich sehr überzeugend gewesen. Sie begann zu essen, nachdem sich auch Ina an den Tisch gesetzt hatte. „Die Spaghetti sind sehr lecker“, sagte sie höflich.
„Danke.“ Hank wirkte immer noch verstimmt. „Meine Familie meckert immer nur an meinem Essen rum.“
Ina lachte. „Das stimmt doch nicht, Hank. Es hat uns immer sehr gut geschmeckt.“
Geena beobachtete, wie sie Laura beim Essen half. Colts Mutter schien einen guten Appetit zu haben. Was für eine Tragödie! Sie war eigentlich noch viel zu jung für Alzheimer, aber auch Todds Tod war viel zu früh gekommen. Das Leben konnte manchmal grausam sein.
Hank sah Geena an. „Hoffentlich können Sie einigermaßen kochen. Ich kann dieses … Zeug hier nämlich nicht mehr sehen!“
Um ein Haar hätte er einen Kraftausdruck verwendet. Irgendwie erinnerte er Geena an Todd. Der hatte auch immer geflucht, wenn er schlechte Laune gehabt hatte. Sie vermisste ihn schrecklich. „Wenn das so ist, verspreche ich Ihnen hoch und heilig, im ersten Monat keine Spaghetti zu machen.“
„Sehr beruhigend“, antwortete Hank mürrisch.
Ob ihn irgendetwas belastete? Hoffentlich doch nicht ihre Abfuhr von vorhin? „Sie werden sich bestimmt viel besser fühlen, wenn der Gips erst mal ab ist“, versuchte sie ihn zu trösten. „Wie lange müssen Sie sich eigentlich noch gedulden?“
„Bis nächsten Montag. Ich kann es kaum erwarten.“
Geena wollte ihn gerade fragen, wie er sich das Bein gebrochen hatte, als Colt zurückkehrte.
„Wie geht es Lindsey?“, fragte Hank sofort.
„Sie hatte einige Wehen, aber der Arzt glaubt nicht, dass es schon so weit ist.“ Hungrig machte Colt sich über die Spaghetti her.
Geena nahm sich vor, reichlich zu kochen, um alle sattzukriegen. Ihr Blick fiel wieder auf Hank, der ganz verstört wirkte. Colt hingegen aß weiter, als sei alles in bester Ordnung. Spontan stand sie auf. „Ich hole mir noch einen Kaffee. Möchte noch jemand?“
„Sie können mir gern nachschenken“, antwortete Colt.
Als sie seinen Becher nachfüllte, wurde ihr bewusst, dass das von jetzt an immer ihr Job sein würde. Es tat gut, endlich wieder nützlich zu sein. Vor allem genoss sie den Familienanschluss. Im Gefängnis hatte sie sich schrecklich einsam gefühlt, aber sie hatte das Zusammenleben mit Todd auch schon vorher vermisst.
Janices Einzug hatte nämlich alles zwischen ihnen verändert. Bei dem Gedanken an die Freundin ihres Bruders erschauerte Geena unwillkürlich. Sie hatte den Verdacht, dass sie Todd betrogen hatte. In der Partnerschaft hatte sie versagt. Hoffentlich war sie eine bessere Mutter.
Geena verdrängte die Erinnerungen, setzte sich wieder hin und trank ihren Kaffee. Als ihr Becher leer war, wusste sie, womit sie Hank aufheitern konnte. Sie stand auf, um ihren Teller abzuräumen, und nahm Hanks gleich mit. „Sie waren einen ganzen Monat lang Chefkoch und Abwäscher, Hank, aber von heute an ist Schluss damit. Ab jetzt kümmere ich mich um die Mahlzeiten.“
Ihr Trick funktionierte. Hanks Stirn glättete sich. Die Erleichterung stand ihm deutlich
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