Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
Abendessen, aber aus irgendeinem Grund war ich überzeugt, dass er die ganze Sache ohne Probleme an einen Mitarbeiter hätte delegieren können und dass er das auch zunächst vorgehabt hatte. Er klang, als habe er ziemlich schlechte Laune, und mir wurde klar, dass diese Reise für ihn eine riesige Belastung darstellte, die umso schwerer wog, je näher sie rückte. Am liebsten würde er überhaupt nicht fahren, konnte das aber nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Innerlich wappnete ich mich. Der Tag würde nicht einfach werden.
Nach dem Anruf von Matthew nutzte ich meine Mittagspause, um mir in der Stadt noch schnell ein Kleid zu kaufen. Ursprünglich hatte ich meinen schwarzen Hosenanzug, der mir seit Jahren bei allen besonderen Anlässen gute Dienste leistete, vorgesehen, aber nachdem es schon während der vergangenen Wochen ungewöhnlich warm gewesen war, wurde es an jenem Donnerstag geradezu heiß, und der Wetterdienst kündigte ein »Traumwochenende« mit Temperaturen bis 30 Grad an. Ich würde zerfließen in dem Anzug. Ich fand ein ziemlich schickes schwarzes, ärmelloses Etuikleid aus Leinen, das mir genau richtig erschien, auch wenn es eigentlich zu teuer war und ein schmerzhaftes Loch in meine Ersparnisse riss. Als ich es abends daheim noch einmal anzog, wurde mir klar, dass es für eine Beerdigung viel zu kurz war und dass es knitterte, wenn man es nur scharf ansah. Die unbedeckten Arme schickten sich wahrscheinlich auch nicht.
Egal, zu spät. Außer dem Pfarrer würde uns ja wohl sowieso niemand sehen.
Alexia hatte mich bei unserer Verabschiedung beschworen, nur ja nicht mein Vorhaben am Samstag zu vergessen. Wir hatten vereinbart, dass ich morgens mit dem Bus zu ihr kommen und dann ihr Auto übernehmen würde. Sie würde den Tag wie üblich in der Redaktion verbringen und entweder mit ihrem Fahrrad oder mit Kens Kleinmotorrad dorthin fahren.
»Natürlich vergesse ich das nicht«, versicherte ich. »Ich bin am Samstag da. Matthew und ich kommen ja schon am Freitagabend zurück. Bitte mach dir keine Sorgen!«
»Deswegen sicher noch am wenigsten«, murmelte Alexia. Ich hoffte, dass sie meine Bemerkung nicht als zynisch empfunden hatte: Schließlich bestand sie praktisch nur noch aus Sorgen.
Ich war fest entschlossen, ihre Situation jedenfalls nicht noch zu verschlimmern. Ich würde ihr wunderbare Motive für die geplante Reportage suchen und alles tun, um den alten Widerling in London zufriedenzustellen – obwohl mir längst klar war, dass das nichts nützen würde. Er wollte Alexia um jeden Preis abschießen. Er ließ sie bloß noch ein wenig zappeln.
Noch lange blieben die Beisetzungsfeierlichkeiten und die Stunden, die ihnen vorausgingen, in meinem Gedächtnis als ein höchst bizarres Ereignis zurück. Als seltsam, verwirrend, fast grotesk. Matthew holte mich morgens zur vereinbarten Zeit ab. Er hatte Max in die Obhut seiner Zugehfrau gegeben, aber diese Information stellte auch schon fast die einzigen Worte dar, die er an mich richtete, bis wir Holyhead erreichten. Ansonsten schwieg er verbissen. Wenigstens hatte er mein viel zu kurzes Kleid nicht kommentiert, aber wahrscheinlich hatte er es gar nicht wahrgenommen. Ich betrachtete ihn ein paarmal von der Seite und konnte erkennen, wie vollkommen verkrampft er war und dass er die ganze Zeit über seine Lippen fest zusammenpresste.
Einmal wagte ich es, ihn anzusprechen. »Wie war es denn gestern Abend mit diesem Kunden von euch?«, fragte ich. »Bist du zufrieden?«
»Ja«, kam es knapp von ihm. Das war alles.
Ich hatte jede Menge Gelegenheit, eigenen Gedanken nachzuhängen. Ich dachte an das Telefonat mit Garrett am Anfang der Woche. Es hatte mich ziemlich umgehauen, nach all der Zeit plötzlich wieder mit ihm zu reden. Das war noch einmal etwas anderes, als bloß seine Stimme auf dem Anrufbeantworter zu hören. Und Garrett war charmant, interessiert und anteilnehmend gewesen – so, wie er eben sein konnte, wenn er einen Menschen für sich gewinnen wollte. Ich hatte nur im Laufe der Jahre zu oft erlebt, wie schnell das kippte, wenn er sein Ziel erreicht hatte. Ich hatte ganze Tränenströme über seine gleichgültige, zynische, abweisende Art vergossen und mir geschworen, nie wieder auf seine guten Seiten hereinzufallen, aber während jenes Telefongesprächs hatte ich gemerkt, wie sehr er mich noch immer in seinen Bann ziehen konnte. Er wollte wissen, wie denn mein Leben so liefe, und ich hatte ein wenig über die Arbeit bei Healthcare
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