Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
leid, Jenna, dass ich störe, ich weiß, es ist unmöglich spät, aber …«
»Was ist passiert?«
»Alexia ist nicht zufällig bei dir?«, fragte Ken.
Idiotischerweise ließ ich tatsächlich für einen kurzen Moment meinen Blick durch das Zimmer schweifen, in einer Art sinnlosem Reflex. »Nein. Ist sie denn nicht zu Hause?«
»Nein. Und langsam mache ich mir riesige Sorgen.«
»In der Redaktion ist sie auch nicht mehr?«
»Nein. Dort war sie heute auch gar nicht. Sie ist in aller Frühe in Richtung Westküste aufgebrochen, um auf Motivsuche zu gehen. Wegen dieser großen Reportage, die sie plant.«
»Was?« Ich schrie es fast. Das Handy fest an mein Ohr gepresst, sprang ich aus dem Bett. Es hielt mich dort einfach nicht mehr. »Wieso das denn? Ich wollte das doch morgen machen! So war es verabredet!«
Ken klang wahrscheinlich völlig unbeabsichtigt etwas vorwurfsvoll. »Verabredet war, dass du es heute hättest machen sollen!«
Oh Gott! Ich hätte es mir denken müssen.
»Ken«, sagte ich mit bemüht ruhiger Stimme, »Matthew und ich waren gestern bei der Beerdigung von Vanessas Mutter. Es war ausgesprochen unschön dort. Wir wollten danach nicht sofort nach Hause. Wir haben eine Nacht und einen Tag in Newport verbracht. Ich habe das Alexia per SMS mitgeteilt und ihr versichert, dass ich meinen Auftrag lediglich um einen Tag verschiebe. Sie war einverstanden.«
Ich konnte es nicht sehen, aber geradezu fühlen, dass er sich mit der Hand über die Augen strich und dass diese Augen müde und gerötet waren.
»Ich weiß«, sagte er. »Sie saß neben mir, als deine SMS gestern Abend ankam. Sie hat sich ziemlich … aufgeregt.«
»Aber warum?«
»Sie hat dir geantwortet, dass das okay ist, aber in Wahrheit … war es eben nicht okay für sie. Sie machte sich Sorgen, obwohl ich sie zu beschwichtigen versuchte. Ich habe ihr gesagt, dass diese vierundzwanzig Stunden absolut keine Rolle spielen, aber sie bezweifelte, dass du am Sonntag tatsächlich da sein würdest. Sie war überzeugt, dass du im Rausch der Gefühle nun das gesamte Wochenende …« Er brach ab, verschluckte, was er hatte sagen wollen. Und was Alexia gesagt hatte.
Ich konnte es mir auch so denken. »Dass ich das ganze Wochenende mit Matthew im Bett verbringen würde. Das hat sie behauptet.«
»So ähnlich«, bestätigte Ken. Ich kannte Alexia, wenn sie wütend war. Sie hatte es wahrscheinlich ziemlich vulgär ausgedrückt.
Nervös ging ich im Zimmer auf und ab. »Und bis jetzt ist sie nicht nach Hause gekommen?«
»So ist es. Und ich meine … das kann doch gar nicht sein! Es ist dunkel. Sie ist seit heute früh sieben Uhr unterwegs. So lange kann man doch gar nicht nach Motiven suchen, oder? Und warum geht sie nicht an ihr Handy?«
Ich versuchte, einigermaßen rational zu agieren. »Wann hast du sie zuletzt gesprochen? Sie hat dich doch bestimmt von unterwegs mal angerufen!«
Er atmete schwer und tief. Er war ziemlich fertig. »Eben nicht. Sie hat nicht angerufen. Und ich auch nicht. Wir sind im Streit auseinander heute früh. Wir haben uns nicht angebrüllt oder so … aber ich habe ihr gesagt, dass ich es für ziemlich verrückt halte, was sie da tut, und dass sie seit einiger Zeit nicht mehr normal tickt. Sie fauchte nur zurück, dass ich sie eben nicht verstehe. Dann fuhr sie davon. Ich habe sie den ganzen Tag über nicht angerufen, weil mir klar war, dass sie in Ruhe gelassen werden will, und ich wunderte mich auch nicht, dass sie mich ihrerseits nicht anrief. Es passte zu ihr, es beunruhigte mich nicht. Inzwischen allerdings …«
Ich überlegte. »Hat sie gesagt, wo genau sie hinwollte?«
»Nein.«
»Ein Unfall …«
»Ich habe die Krankenhäuser der gesamten Umgebung angerufen heute Abend«, erklärte Ken. »Niemand, auf den Alexias Beschreibung auch nur ansatzweise zutrifft, ist dort eingeliefert worden.«
»Du bist dir aber ganz sicher, dass sie nicht in der Redaktion ist?«, fragte ich, obwohl das eigentlich klar war. Wenn Ken schon die Krankenhäuser abtelefonierte, hatte er mit Sicherheit zun ächst näherliegende Möglichkeiten sondiert.
»Ich habe den Hausmeister aufgescheucht, bevor ich die Krankenhäuser angerufen habe«, berichtete Ken. »Ich konnte ja nicht selbst nachsehen, ich habe zwar das Motorrad hier, aber darauf kann ich die Kinder nicht mitnehmen. Der Hausmeister hat nachgesehen. Es ist niemand dort.«
Ich merkte, wie meine Beine weich und zittrig wurden. Das klang alles nicht gut. Ganz und gar
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