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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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so lange ?«
    Er hängte den Autoschlüssel an den Haken.
    »Ich war bei Debbie«, sagte er. Dann sah er sie an. »Sonst noch etwas?«
    »Ja, allerdings. Bei Debbie? So lange? Und ohne mir ein Wort zu sagen?«
    »Ich muss mich nicht an- und abmelden bei dir. Darüber hatten wir doch schon gesprochen. Soll ich mir vorkommen, als sei ich noch im Gefängnis und höchstens ab und zu auf Freigang?«
    »Das hier ist kein Gefängnis«, sagte Nora.
    »Aber du benimmst dich wie ein Gefängniswärter!«
    Sie war so wütend, dass die Luft vor ihren Augen zu flimmern begann. »Wie ein Gefängniswärter? Wie ein Gefängniswärter? Das wagst du mir zu sagen? Nach allem, was ich für dich getan habe? Was ich ständig für dich tue?«
    »Was tust du denn?« Er klang nun auch wütend, mühsam beherrscht. »Du hast mich in deine Wohnung aufgenommen, aber ich beteilige mich an allen Kosten. Du stellst mir dein Auto zur Verfügung, aber ich habe nie einen einzigen Tropfen Benzin verfahren, den ich nicht bezahlt hätte. Klar, ich würde schlechter leben ohne dich. Aber du auch ohne mich. Denn du hältst das Alleinsein fast nicht mehr aus, und du genießt es, bei deinen Bekannten damit zu protzen, nun endlich einen Mann an deiner Seite zu haben. Selbst wenn es ein Exknacki ist. Immer noch besser als nichts, in deinen Augen jedenfalls. Also erzähle mir nichts von der reinen Selbstlosigkeit, die dich treibt!«
    »Wie kannst du nur …«, setzte sie an, brach aber mitten im Satz ab, verstummte hilflos, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Und weil er recht hatte. Es war eine unerträgliche Vorstellung für sie, er könnte sie verlassen und das Bild vernichten, das sie zumindest nach außen hin errichtet hatte: Nora und Ryan. Ryan und Nora. Ich habe nun auch jemanden, der zu mir gehört.
    Die Wut flutete aus ihr heraus wie Luft aus einem Ballon, und wie ein leerer Ballon blieb auch sie schlaff und klein und müde zurück.
    »Bitte«, sagte sie leise, »behandle mich nicht so.«
    Er sah sie überrascht an. Als er die Wohnung betreten hatte, hatte ihn eine Frau erwartet, die aggressiv wie eine Hornisse zu sein schien. Von einer Sekunde zur nächsten war die Aggression verschwunden. Er hatte Nora noch nie so verletzlich gesehen.
    »Ich war nur kurz bei Debbie«, sagte er. Irgendwie ging es ja meist um Debbie, wenn sich Nora aufregte, und sie tat ihm auf einmal so leid, dass er ihr zumindest diesen Stachel ziehen wollte. »Heute Abend. Ich habe nur vorbeigeschaut, aber es ging ihr ganz gut, sie saß vor dem Fernseher und wollte eigentlich nicht gestört werden. Sie arbeitet wieder.«
    »Wo warst du die ganze übrige Zeit?«
    »Ach«, er machte eine unbestimmte Handbewegung. »Mal hier, mal dort. Ich bin herumgefahren, habe Plätze aufgesucht, die ich von früher kenne, habe nachgedacht. Ich habe so viele Probleme. Ich sehne mich immer danach, allein zu sein, wenn ich Probleme habe.«
    Sie berührte sacht seinen Arm. Seine Haut fühlte sich so schön an, das hatte sie schon oft gedacht.
    »Du hast eigentlich nur ein einziges Problem, Ryan. Damon und seine Forderung. Wenn wir das vom Tisch haben, sieht die Welt völlig anders aus.«
    »Ja, aber das bekommen wir nicht vom Tisch. Ich habe wirklich über deinen Vorschlag nachgedacht, Nora. Ich würde meinen Kopf dafür verwetten, dass Bradley mir nie im Leben das Geld geben wird. Nicht einmal dir oder meiner Mutter zuliebe. Weil er nämlich genau weiß, dass er es nie zurückbekommen wird. Er müsste eine Hypothek aufnehmen, müsste Zinsen dafür zahlen und bekäme den Gesamtbetrag in diesem Leben nicht mehr von mir abgestottert, weil er mindestens hundertdreißig Jahre alt werden müsste, um das noch zu erleben. Was verdiene ich denn in dem blöden Copyshop? Selbst wenn ich mich bis zum Ä ußersten einschränke, dauert es Jahrzehnte, bis ich es auf fünfzigtausend Pfund bringe. Sollte Bradley auch die Zinsen von mir erstattet haben wollen, was ja sein gutes Recht wäre, dauert es noch viel länger.«
    »Du wirst nicht ewig in diesem Copyshop arbeiten. Ich bin sicher, du findest etwas, das besser bezahlt wird, und dann …«
    »Du bist naiv«, unterbrach er sie. Er ging an ihr vorbei ins Wohnzimmer, ließ sich in einen Sessel fallen. Im Schein der Stehlampe erkannte Nora, wie erschöpft und gequält er aussah. Plötzlich reute sie ihre Wut, mit der sie ihn empfangen hatte. Dieser Mann hatte sich mit Sicherheit keinen schönen Tag gemacht. Er war ein Getriebener, ein Gehetzter. Er stand mit

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