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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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denken. Wenn sie nicht bald handelte, würde sie noch verrückt werden. Doch sie wusste es nicht. Sie wusste ja nicht, ob Ryan etwas damit zu tun hatte, aber die Polizei würde davon überzeugt sein, sowie sie ihnen alles erzählte, und dann saß Ryan in der Falle, ob er schuldig war oder nicht. Na ja, schuldig im Hinblick auf Vanessa Willard war er sicher, aber andererseits, falls sich Vanessa hatte befreien können, sah die Sache ein wenig anders aus, zumindest war Ryan dann kein Mörder. Sollte sie Ryan ins Gefängnis bringen für eine Geschichte, über die er seinerzeit einfach die Kontrolle verloren hatte? Sie grübelte beständig darüber nach, mit wem sie über all das sprechen konnte, sie brauchte einen Rat, eine andere Meinung. Vielleicht brauchte sie auch einfach jemanden, der einen Teil der Last von ihren Schultern nahm. Es musste jemand sein, der sich diese ganze schreckliche Geschichte anhören würde, ohne danach sofort zur Polizei zu laufen. Jemand, der Ryan nahestand.
    Sie hatte erwogen, seine Mutter anzurufen, aber sie schreckte davor zurück. Corinne stand Ryan zweifellos nahe, aber am Ende zu nahe. Was machte es mit einer Mutter, wenn sie erfuhr, dass ihr einziger Sohn ein so schwerwiegendes Verbrechen begangen hatte? Corinne war eine ältere Frau, die in der jüngsten Zeit Schweres erlebt hatte. Wäre sie überhaupt in der Lage, mit Nora einigermaßen sachlich über das alles zu sprechen und zu beratschlagen, was man tun könnte? Oder würde sie völlig zusammenbrechen und Nora damit das Gefühl geben, schon wieder einen großen Fehler begangen zu haben?
    Eine andere Person begann sich in Noras Gedanken festzusetzen, ein Mensch, den sie eigentlich nie hatte kennenlernen wollen: Debbie, Ryans Uraltfreundin. Sie kannte ihn wie sonst kaum jemand. Jahrelang hatten sie eine Beziehung gehabt, hatten zusammengelebt, und auch nach der Trennung waren sie Freunde und Vertraute geblieben. Selbst in diesen Tagen konnte Nora nicht anders, als voller Eifersucht und Abneigung an die andere zu denken. Sie hatte Debbie nie persönlich getroffen, dennoch geisterte sie schon lange durch ihre Gedanken und manchmal sogar durch ihre Träume. Auf quälende Weise. Es waren keine angenehmen Gedanken und Träume.
    Dennoch war Debbie der einzige Mensch, der ihr blieb, wenn sie ihre Probleme nicht mehr nur in ihrem eigenen Kopf bewegen und darüber noch den Verstand verlieren wollte. Debbie wusste auch, dass Ryan kein böser Mensch war. Sie würde die Sache mit Vanessa Willard einzuordnen wissen. Jeder andere würde Ryan für ein Monster halten.
    Nach einigen Stunden des Grübelns und Zauderns stand Noras Entschluss fest. Sie würde nach Swansea fahren und ihre Rivalin aufsuchen. Die Adresse hatte sie bereits im Telefonbuch gefunden – eine ältere Ausgabe zum Glück. Sie vermutete, dass Debbie nach dem Überfall ihren Namen und ihre Anschrift löschen lassen hatte.
    Der Beamte, der draußen im Auto postiert war, würde ihr wahrscheinlich folgen, aber das konnte ihr eigentlich egal sein. Alles, was er dabei herausfand, war, dass sie sich mit Ryans Exfreundin traf. Vielleicht kam das Inspector Morgan verdächtig vor, aber dem Inhalt des Gesprächs zwischen den beiden Frauen kam sie dabei keinen Schritt näher. Sollte sie deswegen nachhaken, würde Nora antworten, sie habe mit Debbie darüber sprechen wollen, ob es nich t einen Weg gab, mit Ryan Kontakt aufzunehmen – um ihm nahezulegen, sich bei der Polizei zu melden.
    Sie wusste, dass Debbie bei einer Gebäudereinigungsfirma arbeitete, und hatte natürlich keine Ahnung von ihren Arbeitszeiten, aber sie hoffte, dass sie am Freitagabend Glück haben und die junge Frau daheim antreffen würde. Von Ryan wusste sie, dass Debbie seit dem Überfall im März sehr häuslich war und praktisch nicht mehr wegging, nicht einmal mit Freunden oder Kollegen zusammen. Wenn sie nicht arbeitete, saß sie zu Hause und grübelte.
    Nora brach um sechs Uhr auf. Sie merkte, dass der Beamte ihr folgte, aber als sie Pembroke Dock verlassen hatte, konnte sie ihn nicht mehr hinter sich sehen. Ob er sie ebenfalls aus den Augen verloren hatte oder sie auf raffinierte Weise noch immer beschattete, wusste sie nicht. Sie erreichte Swansea ohne Probleme, verfuhr sich dann jedoch gründlich, was es einem möglichen Verfolger sicher nicht leichter machte, an ihr dranzubleiben. Als sie endlich vor dem Haus parkte, in dem Deborah Dobson wohnte, war es fast acht Uhr und Nora ziemlich erschöpft. Sie stieg aus,

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