Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
ist. Ich habe Ryan immer wieder beschworen, sich nicht … Ach, was soll’s! Das ist so typisch Ryan, wissen Sie. Diese Sache mit Damon. Diese Art, sich immer tiefer und heilloser in etwas zu verstricken. Deshalb habe ich mich ja damals von ihm getrennt. Ich wusste, er würde mich irgendwann ganz nach unten ziehen. Und da hatte ich ja wohl recht. Wenn es Damons Leute waren, die mich vergewaltigt haben, wie es Ryan für möglich hält, dann ist genau das eingetreten, was ich befürchtet habe. Und wenn es mit dieser Willard zu tun hat, dann auch. Wahrscheinlich bin ich schon viel zu spät abgesprungen. Liebe Güte, Nora, machen Sie bloß nicht den gleichen Fehler!«
»Ich will Ryan helfen«, sagte Nora.
Debbie starrte sie an. »Sie können ihm nicht helfen. Ich konnte es auch nicht, und, glauben Sie mir, ich bin ebenfalls ziemlich idealistisch an die Sache rangegangen. Aber es hat keinen Sinn.«
Der Kessel pfiff. Debbie verschwand in der Küche, kehrte dann mit einer Kanne Tee und zwei Tassen zurück. »Hier. Dieser Tee beruhigt mich immer ganz gut. In der letzten Zeit trinke ich ihn literweise.« Sie ließ sich auf das Sofa fallen. »O Gott, wie unfassbar das alles! Was tun wir jetzt?«
Nora zögerte. Debbie würde gleich den nächsten Schrecken bekommen, aber da musste sie nun durch. »Wir müssen zu dieser Höhle fahren«, sagte sie, »und nachsehen, ob sich Vanessa Willard damals hat befreien können.«
Debbie machte ein Gesicht, als zweifle sie am Verstand ihres Gegenübers. » Was müssen wir?«
»Ich habe mir das überlegt«, sagte Nora. Sie sprach schneller als sonst, um Debbie nicht die Gelegenheit zu geben, ihr ins Wort zu fallen und die Idee unwiderruflich als Unsinn abzutun. »Ich meine, wenn sich Vanessa Willard befreit hat und offenbar seit drei Jahren aus eigenem Antrieb nicht zu ihrem Mann zurückgekehrt ist, dann müssen wir doch auch nicht dafür sorgen, dass ihr Mann von der ganzen Sache erfährt. Dann handelt es sich doch offenbar um ein Problem zwischen den beiden, eines, das vielleicht noch aus der Zeit vor der Entführung stammt, für das Ryan nicht verantwortlich ist. Und wir somit auch nicht.«
»Das ist eine ziemlich kühne Gedankenführung«, sagte Debbie.
»Aber doch nicht von der Hand zu weisen. Natürlich, wenn Vanessa Willard in dieser … Höhle gestorben ist, dann müssen ihre Angehörigen das wissen, aber wenn nicht … Dann wäre sie vielleicht auch so weggelaufen und untergetaucht. Vielleicht ist ihr Mann ein richtiger Dreckskerl, und sie hätte jede Gelegenheit genutzt, ihm zu entkommen, und dann verdient er es auch nicht, von ihrem Schicksal zu erfahren.«
»Ob er es verdient oder nicht, können wir nicht beurteilen, Nora. Das steht uns auch nicht zu. Tatsache ist, wenn Ryan sie nicht verschleppt hätte, würde sie jetzt nicht einen Rachefeldzug gegen ihn starten. Denn dass sie genau das tut, ist ja wohl seine fixe Idee. Und dann wäre Alexia Reece nichts zugestoßen.«
»Und wenn Alexia Reece das Opfer eines Nachahmungstäters ist? Der auf diese Weise die Ermittlungen in eine falsche Richtung lenken will?«
Debbie seufzte. »Das sind alles reine Spekulationen. Wenn, wäre, vielleicht, möglicherweise … Ryan hat etwas sehr Schlimmes getan, das ist das Einzige, was wir mit Sicherheit wissen, und dieses Wissen gehört zweifellos an die Polizei weitergegeben, das ist Ihnen doch im Grunde so klar wie mir!«
»Wir zerstören damit Ryans Leben. Er wandert für viele Jahre ins Gefängnis. Bis er rauskommt, ist er ein kaputter, alter Mann.«
Debbie lehnte sich vor und sah Nora eindringlich an. »Nora! Jetzt zerfließen Sie nicht vor lauter Mitleid! Das tat er auch nicht, als er billigend in Kauf nahm, dass eine Frau unter unfassbaren Qualen sterben musste, nur weil ihm wieder einmal seine grenzenlose Feigheit im Weg stand.«
»Doch, Debbie. Mitleid hatte er. Und endlose Gewissensbisse. Sie hätten ihn erleben müssen, als er mir alles erzählte. Diese Geschichte zerfrisst ihn fast. Er weiß, was er angerichtet hat, und es macht ihn völlig fertig. Sie kennen ihn doch. Er ist nicht schlecht. Er ist kein Killer.«
»Aber er hat das schon fast bewundernswerte Talent, sich aus ohnehin aussichtslosen Schwierigkeiten in noch größere, noch aussichtslosere Situationen zu manövrieren, und das ist auch der Grund, weshalb man diesem Mann am Ende so oder so nicht wird helfen können. Wir können nicht ausschließen, dass er es in seiner Verzweiflung erneut mit einer Entführung
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