Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
nicht bei Healthcare gewesen, sondern hatte für irgendeine Illustrierte gearbeitet, hatte aber bereits vorgehabt, irgendwann einmal als Chefin eine Redaktion zu leiten. Erhatte ihren Fanatismus gespürt, ihre vollkommene Abhängigkeit von Erfolg, Karriere, Aufstieg. Sie war eine starke, zielstrebige Frau, aber eine entscheidende Fähigkeit besaß sie nicht: Sie wusste nicht, wie man Misserfolge abfederte. Solange sie steil nach oben klettern konnte, ging alles gut. Musste sie drei Stufen zurück auf der Leiter – und auf welchem beruflichen Weg ließ sich das schon vollkommen vermeiden? –, bestand die Gefahr, dass ihr gesamtes System kollabierte. Als Garrett nun erfahren hatte, dass sie praktisch vor dem Aus bei Healthcare stand, dass sie seit Monaten drangsaliert wurde und ihre Kündigung nur noch eine Frage der Zeit war, fühlte er sich in seiner Theorie bestätigt.
»Sie würde doch nicht vier Kinder im Stich lassen!«, hatte Jenna gesagt, aber er hatte müde gelächelt. Psychologisch war er einfach versierter als sie. Es war nicht so, dass er Alexia die Liebe zu ihren Kindern absprechen würde, aber auch die Kinder hatten etwas mit ihrem Ehrgeiz zu tun. Alexia wollte beides sein: Karrierefrau und Supermutter. Und es reichten nicht ein oder zwei Kinder, nein, gleich vier musste sie in die Welt setzen. Sie schaffte es nicht nur beruflich nach vorn, sie leistete zudem ihren Beitrag, dem besorgniserregenden Geburtenrückgang in der Gesellschaft zu begegnen. Und machte sich noch dazu bei alldem etwas vor. Auch darauf hatte er Jenna hingewiesen, worauf diese ziemlich aggressiv reagiert hatte.
»Wieso macht sich Alexia etwas vor?«
»Meine Güte, Jenna, willst du es nicht sehen? Sie hat es bis zur Chefredakteurin gebracht – na und? Bei einem total überflüssigen Blättchen, dessen Auflagenzahlen beständig im Rücklauf sind. Sie ist unterbezahlt, reibt sich aber total auf und muss als Belohnung dafür seit einiger Zeit ständig mit ihrem Rauswurf rechnen. Nennst du das eine Karriere? Und die vier Kinder funktionieren doch nur, weil sie ihren Mann für diese Aufgabe abgestellt hat. Sie selbst hat doch weder die Zeit noch die Kraft, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern. Ich wette, ein normales Familienleben findet dort schon lange nicht mehr statt. Den Kindern dürfte kaum auffallen, dass ihre Mutter verschwunden ist, weil sie sie davor auch praktisch nie gesehen haben!«
Jenna hatte den Mund auf- und wieder zugeklappt. Ihr waren keine Gegenargumente mehr eingefallen.
»Vielleicht ist ihr das auch plötzlich aufgegangen«, hatte er hinzugefügt, »und darüber ist sie durchgedreht. Sie hat ihr Leben als Farce erkannt. Und ist ausgebrochen.«
Inspector Morgan hatte seine Ausführungen durchaus interessant gefunden, das hatte er gemerkt. Offenbar war er der Erste, der Klartext redete. Niemand sonst hatte bislang aussprechen wollen, dass mit Alexia etwas nicht stimmte. Lieber hatten sie sich an der Version Sie wurde überfallen und entführt festgeklammert.
Was sollte er jetzt tun? Jenna war, ebenfalls in aller Herrgottsfrühe, zu Ken aufgebrochen, um ihm seelischen Beistand zu leisten, und Garrett hatte ihr sein Auto geliehen. Deshalb hing er jetzt vorerst hier fest. Denn eigentlich wäre er am liebsten abgereist. Dieser ganze Swansea-Trip hatte sich zu einem einzigen Fiasko entwickelt. Keinerlei Entgegenkommen von Jenna, dafür sein Auftritt bei der Polizei. Er hatte ein Vermögen in die Rosen investiert, und alles war für die Katz gewesen. Er fand, dass er wie ein Idiot dastand, und diese Rolle behagte ihm überhaupt nicht.
Jenna hatte ihm einen Zweitschlüssel ausgehändigt, mit dem er in ihre Wohnung kam. Er ging nach oben, packte seine paar Sachen in seine Reisetasche und war im Prinzip startklar. Morgan hatte ihn aufgefordert, Swansea vorerst nicht zu verlassen, aber diesen Wunsch konnte sich die Alte sonst wohin stecken. Sie hatte seine Adresse in Brighton, das musste genügen.
Die Wohnung versank fast in Rosen, der Duft war betörend. Keine Vase, kein Becher, keine Kaffeekanne, nichts, worin sich nicht Blumen befunden hätten. Garrett betrachtete das Meer samtiger Blüten mit einer ihm unvertrauten Wehmut. Er war sich nicht sicher, ob er Jenna geliebt hatte – er war nicht einmal sicher, dass er lieben konnte –, aber er hatte das Leben mit ihr gemocht. Er fand sie rasend attraktiv und sexuell ungeheuer aufregend. Als sie gegangen war, hatte er aufgeatmet, weil die Streitereien und Szenen, die sich
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