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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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war ein Befehl, den er aussprach. Ich wusste nicht, was passieren würde, wenn ich nein sagte, aber ich hatte den sicheren Eindruck, keine Wahl zu haben.
    Wir fuhren immer tiefer in die Einsamkeit. Ich schwebte in Gefahr, dieser Umstand wurde mit jeder Minute greifbarer für mich, aber was hätte ich tun sollen? Mich aus dem fahrenden Auto werfen und davonrennen? Ich hätte mich verletzt, und Ken hätte mich auch sofort wiedergehabt. Auch unten an der Werft hatte ich keine Chance gehabt. Wir hatten ganz allein an dem Meeresarm neben dem verlassenen Bootshaus gestanden. Wenn ich mich geweigert hätte, in Garretts Auto zu steigen, wenn ich um Hilfe gerufen hätte: Wer hätte mich gehört?
    Er hielt an, als der Wiesenweg, über den wir zuletzt gefahren waren, immer holpriger wurde und schließlich auch kaum noch zu erkennen war. Ich blickte mich um. Wiesen ringsum, Mauern, Weidezäune. Vereinzelt konnte ich Schafe grasen sehen. Ein Stück weiter vorn schien die Wiese in flache Felsplatten überzugehen. Die Steilküste, vermutete ich. Wir befanden uns hoch über dem Meer. Weitab von jeder menschlichen Behausung.
    Ken wandte sich zu mir. »Du hättest heute nicht vorbeikommen sollen«, sagte er. »Du hast alles vermasselt. Was für ein Mist!«
    Ich hatte Angst, aber ich bemühte mich, das nicht zu zeigen. »Ich wollte dir helfen. Ich wollte bei dir sein. Ich wollte …«
    »Warum konntest du mich nicht einfach in Ruhe lassen?«
    »Weil …« Es klang jetzt so seltsam, so unpassend, aber ich sprach es doch aus: »Weil du ein enger Freund bist. Und ich dachte, es geht dir schlecht.«
    »Es geht mir auch schlecht. Es geht mir beschissen, um genau zu sein.« Er trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum, nervös und ärgerlich. »Aber nicht erst jetzt. Sondern seit Jahren. Und das hat ja auch keiner von euch gemerkt!«
    Mir war klar, was er meinte. Alexia und ihre beruflichen Pläne. Ihr Wunsch, Karriere zu machen. Ken hatte die Werft verlassen müssen. War nach Swansea gezogen und hatte sich von da an um die Kinder gekümmert, deren Zahl sich stetig vermehrte.
    Ich hatte das toll gefunden. Jeder, mit dem ich darüber sprach, hatte es toll gefunden. So modern. Endlich ein Mann, der über Gleichberechtigung nicht nur redete, sondern sie wirklich praktizierte. Der sich nicht zu schade war, Windeln zu wechseln, Grießbrei zu kochen, Fläschchen warm zu halten, Spielzeug aufzuräumen, Schulbrote zu schmieren und Streitereien zu schlichten. Während seine Frau zur Chefredakteurin aufstieg und das Geld nach Hause brachte.
    Und zudem schien es sich um eine große Liebesgeschichte zu handeln: Er hatte das alles für sie getan. Für Alexia, die Liebe seines Lebens.
    »Wir haben tatsächlich nicht gemerkt, dass es dir schlecht ging«, sagte ich, »aber wir haben dich bewundert. Keiner, der euch kennt, fand es selbstverständlich, was du tust. Du warst der Mann, von dem jede Frau träumt.«
    Jetzt glitt ein kurzes zynisches Lächeln über sein Gesicht. »Tatsächlich? Ach, dann träum weiter, Jenna! Ich bin der Mann, von dem Frauen behaupten zu träumen. In Wahrheit findet ihr Männer wie mich komplett unerotisch. Eben keine Männer. Ihr braucht jemanden, der euch den Rücken freihält, damit ihr euch verwirklichen könnt, aber ins Bett geht ihr dann am liebsten mit irgendeinem Macho, der euch zeigt, wo es langgeht. So läuft das Spiel doch in Wahrheit!«
    Wie viel Verbitterung sprach aus ihm! Nie zuvor hatte ich ihn so erlebt. Immer war er der freundliche, verständnisvolle, nette, unkomplizierte Ken gewesen. Bittere, giftige Gedanken hätte ich ihm niemals zugetraut.
    Er war ein Fremder. Jemand, den ich nicht kannte.
    »Hat denn Alexia je mit einem anderen Mann …?«, fragte ich vorsichtig. Es schien mir unvorstellbar, aber am Ende hatte Alexia ihre Kinder bei Ken gelassen, ihren Job erledigt und sich nebenher mit anderen Männern herumgetrieben? Aber hätte sie mir das nicht erzählt?
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht dass ich wüsste. Nein, Alexia bekam einfach vier Kinder, weil sie sich das irgendwann einmal so vorgestellt hatte, drückte sie mir aufs Auge und zog los, eine atemberaubende Karriere zu starten. Die dann auf dem Chefsessel dieses völlig unbekannten Medizinblättchens endete, wo sie jede Menge Arbeit hatte, schlecht verdiente und ständig mit ihrer Kündigung rechnen musste. Großartig! Ich muss schon sagen, dafür haben sich wirklich alle Opfer gelohnt.«
    »Ich kann verstehen …«, begann ich, aber er

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