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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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den schrecklichen Ereignissen der letzten Wochen einmal für eine halbe Stunde wenigstens loszulassen. Hier mit Ken einfach nur am Wasser zu stehen, dem erschöpften Gemüt eine Ruhepause einzuräumen. An Granny zu denken und an nichts sonst. Aber aus irgendeinem Grund gelang es mir nicht. Eine steigende Unruhe erfüllte mich. Etwas stimmte nicht, aber ich kam nicht darauf, was es war. Seitdem ich meine Großmutter erwähnt hatte, versuchte sich eine Erkenntnis in meinem Kopf durchzusetzen, aber sie war so verschwommen, dass ich sie nicht greifen konnte. Etwas passte ganz und gar nicht, aber ich fragte mich, was meine Großmutter, die seit siebzehn Jahren unter der Erde ruhte, damit zu tun haben konnte. Mit Alexias Verschwinden, damit, dass ich hier mit Ken vor der verlassenen Werft stand.
    »Wir sollten bald umkehren«, sagte Ken. »Garrett wird sein Auto brauchen, nehme ich an.«
    Garrett schäumte wahrscheinlich schon vor Wut. Aber das kratzte mich überhaupt nicht. Ich grübelte noch immer, was …
    »Großmutter!«, sagte ich.
    Ken blickte mich überrascht an. »Was?«
    Ich kannte mich in Kens Familienverhältnissen nicht aus, deswegen war es mir auch nicht sofort aufgefallen. Aber jetzt war die Erinnerung da. An einen Tag im April. Die Redaktion. Früher Morgen. Eine nervöse, angespannte Alexia, die mir erzählte, dass ihnen ihr Kindermädchen abgesprungen war. Alexia war sehr unglücklich gewesen. Und wir haben ja nicht einmal mehr Großmütter, die man ab und zu um Hilfe bitten könnte.
    Dass Alexias Mutter schon lange tot war, wusste ich. Aber ihr Satz hatte so geklungen, als lebte auch Kens Mutter nicht mehr.
    Wir haben ja nicht einmal mehr Großmütter …
    Ich musste schlucken.
    Ken hatte seine vier Kinder zu seiner Mutter gebracht.
    Das würde sich gleich aufklären. Irgendein dummes Missverständnis. Wieso schienen alle meine Sinne eine Gefahr zu wittern? Wieso war da dieser Kloß in meinem Hals, der mit jedem Moment, der verging, dicker zu werden schien?
    »Ken, wo sind die Kinder?«, fragte ich. Ich bemühte mich, es beiläufig klingen zu lassen. »Deine Mutter lebt doch gar nicht mehr. Wo sind die Kinder?«
    Er sah mich noch immer an. Aber jetzt glitt ein Schatten über sein Gesicht, legte sich auf seine Züge, verdunkelte und verschloss sie. Ohne dass er es aussprach, wusste ich, dass er mir keine Antwort geben würde.
    Von jähem Schrecken gepackt, stellte ich die nächste zwangsläufige Frage.
    »Ken, wo ist Alexia?«
    12
    Ryan hatte nur eine ungefähre Ahnung, wo sie sich befanden, aber er wusste ziemlich genau, dass sie in all der Zeit nicht allzu weit von Swansea weggekommen waren, jedenfalls nicht so weit, wie es ihm vorschwebte. Er hatte Vivian planlos vorandirigiert, weil seine einzige Ambition darin bestanden hatte, Hauptstraßen zu vermeiden und auf keinen Fall der bereits informierten Polizei in die Arme zu laufen, und offensichtlich waren sie im Kreis gefahren. Stundenlang hatten sie außerdem in einem Waldstück verharrt, weil Ryan glaubte, eine Polizeisirene zu hören, und darüber fast die Nerven verloren hatte. Vivian hatte den Beamten am Telefon seinen Namen genannt, und die Fahndung lief unter Hochdruck. Die Beamten würden in Harrys Haus eindringen, sie würden Harry vorfinden, und er würde ihnen sagen, dass Ryan mit Vivian als Geisel geflohen war. Ziemlich rasch würde sich herausstellen, dass sie in Vivians Auto unterwegs waren, und im Nu würde man Fahrzeugtyp und Kennzeichen wissen. Ryan rechnete mit Straßensperren und Verkehrskontrollen. Sie jagten ihn wegen Vanessa Willard, aber sie glaubten zudem, das Leben einer vierfachen Mutter hinge davon ab, dass man ihn zu fassen bekam. Es gehörte nicht viel Vorstellungskraft dazu, sich klarzumachen, dass ein ungeheures Polizeiaufgebot hinter ihm her war.
    Es war ihnen geglückt, Morriston zu verlassen, ohne gesehen oder verfolgt zu werden, und er hatte sich ausgerechnet, dass sie ein wenig Vorsprung hatten, weil die Polizisten nicht einfach so in das Haus stürmen konnten. Sie mussten davon ausgehen, dass sich darin ein Geiselnehmer mit zwei Geiseln verschanzt hielt, deren Leben sie nicht gefährden durften. Es würde etwas Zeit vergehen, ehe sie festgestellt hätten, dass der Vogel ausgeflogen war, und bis dahin mussten Ryan und Vivian ein gutes Stück vorankommen.
    Das Problem war, er hatte überhaupt keinen Plan, wohin es gehen sollte, und er kannte sich in der Gegend schon bald nicht mehr aus. Von Vivian war keine Kooperation

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