Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
sagen, dass sie ihre Leiche gefunden haben. Das klingt schrecklich, oder?«
    Aber ich fand es nicht schrecklich. Ich verstand genau, was in ihm vorging.
    »Ich könnte sie beerdigen. Ich könnte trauern. Und ich könnte abschließen. Ich könnte endlich wieder leben.«
    Am Nachbartisch lachte eine Frau. Ich wandte den Blick hinüber. Ein Paar saß dort, hielt sich an den Händen. Beide waren sie verliebt, versanken förmlich ineinander. Leben, Liebe, Zukunft. Sie erschienen mir in diesem Moment wie ein Bild all dessen, wovon Matthew nur träumen konnte.
    Er schien plötzlich das Gefühl zu haben, schon zu lange über Vanessa geredet zu haben, denn er sagte: »Aber lassen wir das jetzt. Wir lösen den Fall heute Abend nicht, wie ich fürchte. Erzählen Sie von sich. Wie gefällt es Ihnen in Swansea? Wie gefällt es Ihnen bei Healthcare ?«
    Ich ging auf den Themenwechsel ein. Erzählte von Brighton, von dem Job, den ich dort gehabt hatte. Von der Trennung von Garrett. Ich schwärmte von Alexia und Ken, die mir über diesen ersten Winter allein in einer fremden Stadt geholfen hatten, und er stimmte mir aus ganzem Herzen zu. »Vanessa war mit Alexia befreundet. Sie hatten einander während irgendeines Workshops kennengelernt. Nach Vanessas Verschwinden war es für Alexia und Ken ganz selbstverständlich, sich um mich zu kümmern, und ich werde ihnen das nie vergessen.«
    Ich fragte ihn nach der Softwarefirma, die er leitete, und er erklärte mir ein neues Computerprogramm, das sie gerade entwickelten. Ich verstand kaum die Hälfte dessen, was er sagte, aber dennoch hörte ich fasziniert zu. Fasziniert von ihm. Ich sah den Mann, der er jenseits der ihn lähmenden Tragödie war. Ich entdeckte seine Lebhaftigkeit, sogar seine Lebensfreude, die Leidenschaft, mit der er seiner Arbeit nachging. Seine Augen leuchteten jetzt, und ein paarmal lachte er, nicht gequält und bitter, sondern frei und kraftvoll. Ich verstand, wie sehr er sich in die Normalität zurücksehnte, wie vollkommen unnatürlich für ihn seine Lebensweise seit mehr als zwei Jahren war. Er hatte Vanessa sehr geliebt, das war deutlich geworden, und wahrscheinlich liebte er sie noch immer. Aber sie war nicht mehr da. Er liebte eine Erinnerung. Und sein eigenes Leben musste endlich weitergehen.
    Wir verließen das Restaurant zu später Stunde, beide fröhlich und gut gelaunt. Matthew war jetzt ein ganz anderer als zu Beginn des Abends – ein anderer auch als der Mann, den ich am vergangenen Freitag bei meinen Freunden kennengelernt hatte. Wir gingen noch ein Stück mit Max am Meer entlang, ehe wir ins Auto stiegen. Als wir vor dem Haus, in dem ich wohnte, ankamen, hielt Matthew und stellte den Motor ab. Er sah mich an.
    »Jenna, ich würde Sie gern wiedersehen. Könnten Sie sich das vorstellen?«
    »Natürlich.«
    »Sie kennen die Situation, in der ich lebe, und daher wissen Sie sicher … Na ja, ich habe einfach keine Ahnung, was aus alldem wird, verstehen Sie?«
    Ich rettete mich in einen Allgemeinplatz. »Die hat man doch nie. Ich meine, wenn zwei Menschen sich in irgendeiner Weise aufeinander einlassen, wissen sie nie, wie das am Ende ausgeht.«
    »Schon, aber … die Umstände sind meist doch etwas günstiger als in meinem Fall.«
    »Es ist eben, wie es ist. Und ich finde, dass …« Ich suchte nach Worten. »Meiner Meinung nach ist es immer falsch, davonzulaufen. Auch vor ungünstigen Umständen. Nachher denkt man über eine verpasste Chance nach, und das finde ich schlimmer, als wenn man die Chance ergriffen hat und am Ende feststellt, dass es nicht funktioniert hat.«
    Ich konnte sehen, dass er lächelte. »Sie sind die erste Frau, mit der ich mich verabrede, seitdem Vanessa verschwunden ist.«
    »Das verdanken wir Alexia«, sagte ich. »Sie wollte uns beide genau da haben, wo wir jetzt sind.«
    »Alexia hat das schon mit etlichen anderen Kandidatinnen versucht«, sagte Matthew, »aber nie ist ein Funke übergesprungen.«
    »Sie waren eben noch nicht so weit.«
    »Die Frauen gefielen mir nicht besonders. Jenna, Sie sind … also, abgesehen natürlich davon, dass Sie klug und lebhaft und sehr einfühlsam sind … Sie sind auch sehr schön. Aber das wissen Sie vermutlich.«
    Ich war hin und weg. Man hört es gerne, wenn man als klug, lebhaft und einfühlsam beschrieben wird, aber wenn ich ehrlich bin, so machte es mich besonders glücklich, dass Matthew mich schön fand. Als ich ein Teenager war, und auch noch in meinen frühen Zwanzigern, waren die

Weitere Kostenlose Bücher