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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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kommen. Ihr Auto sprang nicht an. Offenbar ist da etwas manipuliert worden.«
    »Welche Leute?« Er hatte seit fast sechs Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter gehabt, er hatte keine Ahnung von ihren Gewohnheiten. Wie er erfuhr, arbeitete sie inzwischen in einer Arztpraxis in Whitby und nahm jeden Morgen die Strecke durch die Moore, und an einem Feldweg, der von der Hauptstraße abzweigte, wartete sie immer auf ein junges Mädchen, das eine Lehrstelle in Whitby hatte und von ihr mitgenommen wurde. Die Mutter des Mädchens brachte es zu dem Treffpunkt. Wie es aussah, hatte Corinne Beecroft auch an diesem Freitag pünktlich an der vereinbarten Stelle gewartet, aber ihre Mitfahrerin war nicht erschienen. Wenn es stimmte, dass sie gezielt an der Abfahrt gehindert worden war, indem man ihr Auto manipuliert hatte, gab dies Anlass zu sehr ernsthaften Sorgen. Wer hatte die Frau, die inmitten der Einsamkeit völlig allein zu früher Morgenstunde in ihrem Auto gesessen und gewartet hatte, im Visier gehabt?
    »Niemals«, hatte Bradley gesagt, und seine alte, heisere Stimme hatte gebebt, »niemals ist sie freiwillig von dort weggegangen. Ihr ist etwas ganz Schlimmes zugestoßen, Ryan, das weiß ich. Die Polizei sieht das auch so!«
    Seine Gedanken überschlugen sich, während er durch die Nacht jagte. Das alles konnte kein Zufall mehr sein. Deborah, die elend und zerschlagen in ihrer Wohnung saß und kaum noch einen Schritt auf die Straße tat, seitdem die beiden unbekannten Männer über sie hergefallen waren. Und jetzt Corinne. Spurlos verschwunden, und zwar ganz offensichtlich nach einem gezielt und umsichtig vorbereiteten Überfall auf sie. Zwei Frauen, die in Ryans Leben eine wichtige Rolle gespielt hatten: seine Mutter. Und seine langjährige Lebensgefährtin. Zwei Frauen, von denen jeder wissen konnte, dass man Ryan traf, indem man sie verletzte.
    Wer will mir etwas sagen?
    In Corinnes Fall kam, im Unterschied zu dem Verbrechen an Debbie, noch etwas hinzu, was ihm sofort den kalten Schweiß auf das Gesicht getrieben hatte: die besonderen Umstände, unter denen sie verschwunden war. Es stand wie ein Menetekel an der Wand vor seinem inneren Auge: einsamer Ort. Auto. Keine Spur von der Fahrerin.
    Tauschte man die Hochmoore von Yorkshire gegen den Pembrokeshire Coast National Park aus, so hatte man praktisch die identische Beschreibung dessen, was damals geschehen war.
    Dahinter steckt ein subtiler Plan.
    Und dieser Gedanke führte zu der Frage: Wer konnte ihn in einen Zusammenhang mit dem fast drei Jahre zurückliegenden Verschwinden von Vanessa Willard bringen? Damon? Es konnte nicht sein. Es war einfach unmöglich.
    Es blieb eigentlich nur ein einziger Mensch auf der Welt, und das war Vanessa Willard selbst.
    Lebte sie?
    Wie lange war es her, dass er ihren Namen in Gedanken ausgesprochen hatte? Vanessa Willard.
    Mehr als zweieinhalb Jahre lang hatte er so weit nicht denken können. Wann immer jener verhängnisvolle Sonntag versucht hatte, sich in seine Erinnerung zu drängen, war das große rote Stoppschild aufgetaucht, das sein Unterbewusstsein errichtet hatte und zu seiner Erleichterung im entscheidenden Moment stets zuverlässig abrief. Halt! Nein! Keinen Schritt weiter!
    Es hatte funktioniert, und das hatte ihn vor der Wucht seiner Schuld und der Qual seiner Gedanken gerettet. Als er bei der verzweifelten Debbie gesessen hatte, war erstmals ein Riss in der Abwehr zu spüren gewesen. Und jetzt schien es, als breche die Stellung völlig zusammen. Die Bilder von damals fluteten geradezu über ihn hinweg. Und wie eine Gewissheit baute sich in ihm das Gefühl auf: Jetzt wirst du bezahlen. Die ganze Sache kommt jetzt auf dich zurück. Nichts ist abgeschlossen. Nichts ist vorbei.
    »Mich wundert, dass du vorhin die Telefonnummer deiner Mutter und ihres Mannes suchen musstest«, sagte Nora unvermittelt. »Du weißt die Nummer deiner Mutter nicht auswendig?«
    »Nein. Wir hatten schon lange keinen Kontakt mehr.«
    »Liegt das an … deiner Kindheit? Kannst du ihr das nicht verzeihen?«
    Er blickte angestrengt geradeaus, warf Nora keinen Blick zu. »Nein. Es liegt an meinem Lebenswandel. Meine Mutter kam damit nicht zurecht. Und der Typ, den sie geheiratet hat, erst recht nicht.«
    »Bradley?«
    »Ein unglaublicher Spießer. Rentner wohl inzwischen, mit kleinem Häuschen und penibel gepflegtem Gärtchen. Er und meine Mutter müssten eigentlich an Langeweile sterben, aber offensichtlich halten sie es ganz gut miteinander

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