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Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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sollte.
    »Ryan? Ich hoffe, ich habe die richtige Telefonnummer. Ich hoffe, Ryan wohnt dort. Ryan Lee.«
    Ryan tat einen Schritt nach vorn. Die Stimme kam ihm bekannt vor, aber er konnte sie keiner Person zuordnen. Sein erster Gedanke war: Damon! Jetzt hat er mich! Jetzt sagt er mir, bis wann er das Geld haben will und was geschieht, wenn ich nicht zahle.
    Aber schon im nächsten Moment wusste er, dass das nicht sein konnte. Wer immer sich dort an ihn wandte, war ein unsicherer, zögerlicher Mensch, der es nicht besonders liebte, auf einen Anrufbeantworter zu sprechen und dabei nicht einmal genau zu wissen, ob er den richtigen Kontakt hatte. Das klang absolut nicht nach Damon. Damon hätte laut und frech seine Botschaft auf das Band geschmettert, ohne Räuspern, Zögern und Zaudern. Er hätte gar nicht daran gezweifelt, die richtige Nummer zu haben, einfach deshalb, weil Damon grundsätzlich an nichts, was er tat, auch nur die Spur eines Zweifels hegte.
    »Ja, also, hier ist Bradley. Bradley Beecroft. Ryan, es ist etwas passiert … Ich kann dir nicht einmal genau sagen, was geschehen ist, aber … du solltest dich bitte mit mir in Verbindung setzen. Es hat den Anschein, dass … deine Mutter ist verschwunden, Ryan. Das Ganze ist äußerst mysteriös. Bitte ruf mich an!«
    Das Aufzeichnungsgerät schaltete sich aus. Ryan stand wie erstarrt.
    »Wer war das?«, fragte Nora. »Und wovon, um Himmels willen, spricht er?«
    Ryan nahm den Telefonhörer auf und begann, gleichzeitig auf den verschiedenen Tasten des Anrufbeantworters herumzudrücken. »Ich weiß seine Nummer überhaupt nicht. Verdammt, hat dieses Ding hier irgendwo die Nummer aufgezeichnet?«
    »Wer war das?«, wiederholte Nora.
    »Bradley«, sagte Ryan. Es war ihm gelungen, Bradley Beecrofts Nummer im Display aufzurufen, und nun tippte er sie in das Telefon ein. »Der Mann meiner Mutter.«
    »Dein Stiefvater?«
    »Nein. Oder in gewisser Weise ja. Bradley ist der dritte Mann meiner Mutter. Ich war schon erwachsen, als sie ihn heiratete.« Er wartete, dass sich die Verbindung herstellte. Er merkte, dass er kaum schlucken konnte, weil sein Hals innerhalb weniger Sekunden ausgetrocknet war.
    »Hallo, Bradley«, sagte er dann, »hier ist Ryan. Was ist passiert?«
    Sie rasten durch die Nacht. Ryan saß am Steuer, er fuhr viel zu schnell, das wusste er, gefährlich schnell, aber die Unruhe trieb ihn mit solcher Kraft, dass er nicht langsamer hätte werden können. Zum Glück war an diesem späten Freitagabend nur wenig auf den Straßen los. Es hatte wieder zu regnen angefangen. Eine nasse, windige Aprilnacht. Wer konnte, blieb zu Hause.
    »Ich brauche das Auto, Nora«, hatte er gesagt, nachdem er Bradleys aufgeregter Schilderung gelauscht und dann das Gespräch beendet hatte. »Ich muss dorthin. Zu Bradley. Ich muss sehen, ob ich etwas tun kann.«
    »Natürlich musst du das«, hatte Nora ohne zu zögern geantwortet. »Und ich werde mitkommen.«
    »Nora, du brauchst nicht …«
    »Ich will aber.«
    Er war nicht sicher, ob er sie eigentlich gern dabeihatte, aber es war ihr Auto, und er konnte ihr daher kaum verbieten, ihn zu begleiten. Zudem könnte sie hilfreich sein. Er hatte sie jetzt als loyal und engagiert erlebt, und sicher würde sie ihr Bestes geben, ihm auch jetzt zur Seite zu stehen.
    »Wo wohnt denn deine Mutter?«, hatte Nora gefragt, als sie einstiegen. Sie hatten jeder Wäsche zum Wechseln und Zahnbürsten in eine Tasche geworfen und diese auf den Rücksitz gestellt. Obwohl ihm tausend andere Gedanken im Kopf herumschwirrten, hatte Ryan doch noch denken können: Wie ein altes Ehepaar. Jetzt reisen wir schon mit einer gemeinsamen Tasche.
    »Sawdon. Das ist in den Yorkshire Moors.«
    »Wir müssen bis nach Yorkshire hinauf?«
    »Ich muss. Du nicht.«
    »Ich habe gesagt, dass ich mitkomme, und daran ändert sich nichts.«
    Er war froh, dass sie seinen Fahrstil mit keinem Wort kommentierte, dabei hatte sie bestimmt Angst. Er sah das an ihren verkrampft zusammengepressten Lippen, wenn er ihr hin und wieder einen Seitenblick zuwarf. Aber sie enthielt sich jeder Bemerkung.
    Er konnte es kaum fassen, was ihm Bradley erzählt hatte. Sie hatten das verlassene Auto seiner Mutter am Rande der Straße gefunden, die durch die Moore hindurch nach Whitby führte. Die Fahrertür stand offen, Corinnes Handtasche lag auf dem Beifahrersitz. Weit und breit gab es keine Spur von ihr.
    »Und die Leute, die sie eigentlich treffen wollte«, hatte Bradley gesagt, »konnten nicht

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