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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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überzogenen Haut. Sie sah nach oben. Die Löcher im Grasdach des behelfsmäßigen Unterstandes wurden immer größer, und das war nicht gut. Wegen ihrer überaus empfindlichen Haut benötigten Büffel eine Suhle oder einen anständigen Stall, um sich vor der Sonne zu schützen, aber für eine Suhle gab es in Raato Danda nicht genug Wasser, und für einen stabilen Stall fehlte das Geld.
    Das Geld fehlte immer. Raato Danda war ein armes Dorf, wenn auch nicht ärmer als all die anderen Dörfer im Distrikt, aber musste man sich mit seinem Schicksal zufriedengeben, nur weil es den anderen Bauern ebenso schlecht erging? Tara gab der Büffelkuh einen so heftigen Klaps, dass das Tier erschrocken den Kopf zurückriss und an seinen Fesseln zerrte. Mit verdrehten Augen starrte es Tara an und schnaubte.
    »Entschuldige«, flüsterte Tara. »Dich trifft an unserer Misere nun wirklich keine Schuld. Aber seit meine Brüder zu den Rebellen gegangen sind, ist alles nur noch schlimmer geworden. Dabei dachte ich, wir wären schon ganz unten.«
    Tara sprach einfach weiter. Es tat gut, sich das Herz zu erleichtern, auch wenn das Ohr, in das sie flüsterte, nur einem Vieh gehörte.
    »Warum lässt sich der Vater so von dem Bhoot herumkommandieren? Warum hat er zugelassen, dass er mir die Schwester nimmt? Warum?« Ein heftiges Schluchzen brach aus ihr hervor und erstickte das Ende des Satzes. Es dauerte lange, bis sich Tara wieder gefangen hatte. Dann richtete sie sich auf, drückte den Rücken durch, schüttelte ihr durcheinandergeratenes Haar und fasste es in einem Knoten am Hinterkopf zusammen.
    »Aber ich werde nicht länger tatenlos verharren«, sagte sie mit fester Stimme zu der Kuh. »Sobald sich eine Möglichkeit ergibt, werde ich handeln. Ich bin eine Lamichhane!« Mit diesen Worten beugte sie sich vor und griff beherzt mit beiden Händen in einen weichen Haufen Büffelmist. Verbissen sammelte sie den gesamten Mist der letzten Tage ein und warf ihn in ihre Doko. Als die Kiepe voll war, ging sie in die Knie, rückte den Trageriemen auf ihrer Stirn zurecht und richtete sich mühsam wieder auf. Das enorme Gewicht des feuchten Mists ließ sie kurz schwanken. Als sie ihr Gleichgewicht wiedererlangt hatte, stapfte sie über das kleine Feld hinter ihrem Elternhaus und trat auf den Hof. Ihr Bruder Dipak verscheuchte gerade die Ziegen von dem für die Büffelkuh bestimmten Topf mit Maisbrei.
    »Wohin gehst du, Tara?«, rief er ihr zu.
    »Zu den Feldern oben am Bergsattel. Vater ist schon dort. Wir sind gestern mit dem Reispflanzen nicht fertig geworden.«
    »Soll ich mitkommen und dir und Buba helfen?«
    Tara schüttelte ungehalten den Kopf. Sie wusste nur allzu gut, dass seine Hilfsbereitschaft einen handfesten Grund hatte, befreite die Arbeit auf dem Feld ihn doch von seinen Schulaufgaben. Dipak, der Nachzügler der Familie und mit seinen zehn Jahren kaum halb so alt wie Tara, war ein aufgeweckter Junge und hatte keine Mühe, in der Dorfschule mitzuhalten, aber vor dem Lernen drückte er sich, wo er nur konnte. »Du musst lesen und rechnen«, sagte sie bestimmt. »Und wenn du fertig bist, kannst du Ama beim Kochen helfen.«
    »Och.«
    »Keine Widerrede. Du sollst es einmal zu etwas bringen. Sieh dir mich an, ich kann weder lesen noch schreiben. Meinst du, das gefällt mir?«
    »Warum kannst du nicht lesen? Es ist doch so einfach. Bist du dumm?«
    Verblüfft über seine Frechheit, hob Tara ihre Hand, um Dipak eine Kopfnuss zu versetzen, doch dann sah sie seinen klaren, forschenden Blick. Er hatte sie nicht beleidigen wollen, sondern erwartete eine ernsthafte Antwort. Tara strubbelte dem Jungen durch das dichte schwarze Haar. »Ich weiß nicht, ob ich dumm bin, Bhai. Ich hatte ja nie die Möglichkeit, es zu testen. Weißt du, ich bin nie in der Schule gewesen.«
    »Warum nicht?«
    »Es gab einfach zu viel anderes zu tun.«
    Tara konnte sich noch gut an ihre Zeit als Zehnjährige erinnern. Ihre Tage waren angefüllt mit Arbeit: Wasser holen, Wäsche waschen, Ziegen füttern, Gemüse putzen. Jedes Jahr waren mehr Pflichten hinzugekommen, und obwohl es sie mit Stolz erfüllt hatte, dass sie den Eltern so gut zur Hand gehen konnte, war Tara auch ein wenig neidisch gewesen auf ihren älteren Bruder und die jüngeren Geschwister, ein Mädchen und ein Junge, die jeden Morgen fröhlich den Hof verließen und talwärts zu der kleinen Schule liefen. Wenn sie dann mittags, erhitzt von dem einstündigen Aufstieg, wieder auf dem Hof ankamen, hatten

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