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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Gymnasium und Wohlstand geprägten Denkweisen.
    Ein zarter, auf seine Wange gehauchter Kuss unterbrach seine Grübeleien. Babsi hatte sich unbemerkt neben ihm niedergelassen und lehnte sich gegen ihn, ohne Hintergedanken, wie er wusste.
    »Du siehst einsam aus«, sagte sie. »Gefällt dir unser Fest nicht?«
    Achim legte den Arm um Babsi und drückte sie vorsichtig. Wie jedes Mal wenn er sie im Arm hielt, hatte er Angst, sie zu zerbrechen. »Danke dafür, dass du dich um mich sorgst«, sagte er schlicht. Dann lachte er. »Ich kann mich doch gar nicht über das Fest beschweren, schließlich war es meine Idee.«
    »Stimmt. Trotzdem wüsste ich gern, ob mit dir alles in Ordnung ist.«
    Achim gab Babsi einen Kuss auf die Stirn. »Alles ist in Ordnung, Vögelchen. Wir fahren bald nach Indien.«
    Ihre Augen leuchteten auf, aber sie sagte nichts, sondern schmiegte sich nur enger an ihn. Nach und nach erstarben auch die Gespräche der anderen, bis nur noch das Prasseln und Knistern des herunterbrennenden Feuers die Nacht erfüllte. Achim spürte Babsis warmen Körper, doch ihre Nähe weckte kein Verlangen, zumindest kein sexuelles. In seinen Augen war Babsi ein Kind, das er beschützen musste, weil ihm das Leben übel mitgespielt hatte. Sie hatte ihm nie über die Vorfälle in der Vergangenheit erzählt, und er drängte sie nicht. Er wusste auch so, dass etwas in ihr zerstört war, ebenso wie in ihm. Sie waren verwandte Seelen.
    Schon beim ersten Zusammentreffen mit Babsi hatte sich ihm dieser Vergleich aufgedrängt. Es war im letzten Herbst gewesen, in einer jener Oktobernächte, so stürmisch und regnerisch, dass man den Schimmelreiter höchstpersönlich vorbeijagen sah. Im Foelkenorth hatten sie alle Fensterläden verrammelt, den Ofen angeworfen und es sich in der Stube gemütlich gemacht. Horst, der sich allerdings Frank nannte, nach Frank Zappa, spielte auf seiner Gitarre, einige sangen, andere quatschten, ein paar Frauen kümmerten sich ums Kochen. Und niemand hörte das beharrliche Klopfen, erst an der Haustür, dann an den Fensterläden.
    Es musste gegen drei Uhr morgens gewesen sein, als Achim die mittlerweile stark gelichtete Runde im Wohnzimmer verließ und auf dem Weg ins obere Stockwerk an den Esel dachte. Jim lebte ganz allein im ehemaligen Kuhstall, was ihm in normalen Nächten nichts ausmachte, zumal er die Tage frei und ungebunden durch den Garten und die anliegenden Felder streunen durfte und fraß, was eigentlich im Salat der Kommune landen sollte. Ob ihm die Sturmnacht mit den klappernden Schindeln und sintflutartigen Regenfällen allerdings behagte, wagte Achim zu bezweifeln. Er mochte das Tier, dessen sprichwörtliche Sturheit einem rebellischen Geist entsprang, der dem Foelkenorth zur Ehre gereichte. Eine heftige Böe pfiff über die offenen Felder und verfing sich im Dach und in den Fensterläden des Hauses. Der ohrenbetäubende Lärm gab den Ausschlag. Achim eilte in den Raum, den er sich mit Horst-Frank und Marten teilte, wühlte eine Regenjacke und eine Taschenlampe hervor und sprang die Treppe wieder hinunter.
    Der Wind riss ihm die Haustür aus der Hand. Krachend schlug sie gegen die Wand, und in der nächsten Sekunde traf ihn der aus allen Richtungen peitschende Regen. Achim zögerte angesichts des wütenden Sturms nur einen Wimpernschlag, dann stürzte er sich gebückt in die pechschwarze Nacht. Der Esel war wahrscheinlich schon halb tot vor Angst. Achim hatte keine Ahnung, was er unternehmen wollte, aber wenn es gar nicht anders ging, würde Jim im Wohnzimmer übernachten, basta. Der Weg über den Vorhof zur Scheune konnte keine Minute gedauert haben, doch als sich Achim gegen das Scheunentor stemmte, hatte der Regen schon einen Weg in seinen Kragen und den Rücken hinunter gefunden. Egal, in zehn Minuten konnte er sich umziehen. Er drückte das Tor wieder zu und knipste die Taschenlampe an. Seine Befürchtungen bestätigten sich: In armdicken Strömen rauschte Wasser durch das löchrige Dach, und es herrschte ein Krach, als sei er im Probenraum des Höllenorchesters gelandet.
    »Jim?«, schrie er und hastete zur Box am Ende des Stalls. »Halt durch, Alter, gleich wird es besser.« Ein klägliches I-ah drang an sein Ohr, und er verfiel ins Laufen. Der Stall war enorm groß, einst hatten hier sicher fünfzig, sechzig Kühe gestanden. Ein Palast für Jim, wenn auch ein verfallener. Endlich streifte der Lichtkegel der Taschenlampe den grauen Körper des eng an die Wand gepressten Esels, seine

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