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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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abhielt, auf ebendiese Ausbeuter und Kapitalisten lautstark zu schimpfen, ohne wirklich gute Vorschläge für eine bessere Welt präsentieren können. Nachdem der siebte oder achte Joint herumgereicht worden war, einigten sie sich darauf, dass sich sowieso nichts ändern würde, solange die Reaktionäre am längeren Hebel saßen, und man deshalb besser für sich bliebe, hier auf dem Foelkenorth. Irgendwann würde sich ihre Art zu leben durchsetzen. Und wenn nicht – wen kratzte es?
    Mich, dachte Achim und zog an dem Joint. Er hatte mehrere Runden ausgelassen und war längst nicht so bekifft wie die anderen. Ja, mich kratzt es. Ich hasse es, das Leben einfach so dahinplätschern zu lassen, ohne Perspektive, ohne Plan. Ohne etwas zu tun.
    Achim schnippte den Joint ins Feuer und starrte abwesend den aufstiebenden Funken nach. Tatsächlich war er der Einzige, der etwas zur Aufbesserung der Haushaltskasse tat, indem er hin und wieder kleineren Drogengeschäften nachging. Es war lachhaft einfach, mit Kurierfahrten Geld zu verdienen, wenn man sich nicht erwischen ließ, aber eine Zukunftsperspektive war das nicht, zumal es immer schwieriger wurde, sich nicht erwischen zu lassen. Bei der letzten Tour hatte einer der Zollschnüffler eine verdammt gute Nase für seine üblichen Verstecke bewiesen und eines nach dem anderen kontrolliert. Achim entging der Verhaftung nur, weil er in einem Anfall arroganter Sorglosigkeit einen Riesenbatzen Shit einfach in seine Umhängetasche gestopft hatte – den einzigen Ort, der nicht gefilzt wurde. Und dabei bereiteten ihm die Zöllner nur halb so viel Sorgen wie die Großdealer. Seit einiger Zeit ging es nicht mehr nur um Haschisch, sondern um härtere Sachen. Ganz abgesehen davon, dass Achim nichts von Heroin hielt, war ihm die Sache zu heiß. Wenn sie dich mit H erwischten, fuhrst du bis Sankt Nimmerlein in den Bau, das war echte Kriminalität, kein Kavaliersdelikt wie Cannabis-Schmuggel. Nein, er würde mit den Kurierfahrten aufhören, es wurde einfach zu gefährlich. Sich nach Indien abzusetzen war eine elegante Möglichkeit, sich aus der Affäre zu ziehen und potenziell gefährliche Verbindungen zu kappen.
    Achim ertappte sich dabei, wie er auf Ulrikes gewölbten Bauch starrte. Ob es seins war? Unmöglich war es nicht, aber selbst wenn, würde es keine Konsequenzen für ihn haben. Es kamen mindestens zwei weitere Väter in Betracht, und Ulrike hatte ohnehin klar gestellt, wem das Kind gehörte: ihr und niemandem sonst. Trotzdem war auch dies eine Affäre, aus der er sich gern zog.
    Er schüttelte belustigt den Kopf. Die bunten Vögel vom Foelkenorth waren sogar noch schräger als die Bewohner aus seiner eigenen Welt, in der es seinem trunksüchtigen Vater spielend gelungen war, dem Sohn psychedelische Höllentrips zu bescheren, lange bevor LSD erfunden wurde. Irgendwann verschwand der Vater, und mit ihm die letzten Wertsachen. Die Mutter bekam eine Stelle am Fließband einer Keksfabrik, Wechselschicht für einen Hungerlohn, und Achim wurde zum Schlüsselkind, das sich draußen herumtrieb und sich mehr durch Vandalismus als gute Schulnoten auszeichnete. Rabenmutter, hatten die Spießer seine Mutter genannt, Spießer wie die Eltern dieser Hippies hier, und orakelt, dass aus dem Jungen nichts werden würde. Anmaßende Mistkerle. Die Erinnerung an die selbstherrlichen Moralapostel ließ Achim die Galle hochkommen. Er liebte seine Mutter mit schmerzhafter Wut, diese fleißige, verhärmte Frau, vor der Zeit gealtert und niemals glücklich, und er würde es allen zeigen, die den Stab über sie beide gebrochen hatten. Er wusste nur noch nicht, wie. Nun, vielleicht brachte Indien ihn auf neue Ideen.
    Ingrids erschrockener Blick traf ihn, und sofort knipste Achim sein Lächeln an und zwinkerte ihr zu. Ingrid brauchte nicht zu wissen, was ihn quälte. Wenn er auch dazu neigte, die Anwesenden über einen Kamm zu scheren, so tat er zumindest Ingrid damit unrecht. Sie war ebenso zupackend wie er, konnte sogar kochen und gab sich nicht mit wenig zufrieden. Sie wollte mehr. Mehr erfahren, mehr sehen, mehr ausprobieren, weshalb er nie daran gezweifelt hatte, dass sie sich den Indienfahrern anschließen würde. Er freute sich, sie dabeizuhaben – gemeinsam würden sie den Bus sicher über den Hindukusch schaukeln. Er und Ingrid und Babsi. Dass auch Pieter und Marten mitfuhren, nahm er zur Kenntnis, aber er hatte nie einen echten Draht zu den jungen Männern gefunden, zu fern lagen ihm ihre von

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