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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Rettungswagen sein, dem ihr Auto den Weg versperrte.
     
    »Hören Sie mal, das ist ein öffentlicher Weg! Hier können Sie nicht parken. Wie soll ich denn zu meinem Haus dort hinten kommen?«
    Anna blinzelte in das Tageslicht. Hinter ihrem silbernen Ford Focus wartete mit laufendem Motor ein ramponiert aussehendes rotes Auto. Neben dem schlammbespritzten Wagen stand eine Frau in einem schicken Hosenanzug, breitbeinig, die Arme in die Hüften gestemmt. Der Nieselregen schien ihr nichts auszumachen. Die Frau mochte etwa fünfzig Jahre alt sein und war ziemlich groß, mindestens einen halben Kopf größer als Anna. Wobei das nicht allzu viel aussagt, dachte Anna, während sie sich einen Weg durch das Unkraut zum Feldweg bahnte. Sie selbst war gerade mal 158 Zentimeter klein und zierlich – neben ihr wirkten viele Menschen wie Riesen. Als sie näher kam, fielen Anna die Haare der Frau auf: modisch geschnitten und von einem echten Blond, das ihre wenigen grauen Strähnen mühelos überstrahlte. Überhaupt hatte die Frau etwas Strahlendes an sich, trotz ihrer offensichtlich schlechten Laune. Sie sah sehr gesund aus.
    Kurz vor dem Wagen nickte Anna der Frau freundlich zu. »Tut mir leid. Ich wollte mich eigentlich nur kurz umsehen, und dann hat es doch länger gedauert.«
    Die Frau kniff misstrauisch die Augen zusammen und wies mit dem Kinn in Richtung des Hofes. »Und was wollten Sie da drin?«, fragte sie barsch.
    Ich habe nach meiner toten Mutter gesucht, dachte Anna. Aber sie war nicht da. »Ich bin auf der Suche nach einem Ferienhaus«, sagte sie stattdessen. Dann zuckte sie die Schultern. »Ein Mann vorn an der Hauptstraße hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass es hier ein leerstehendes Haus gibt. Na ja, es ist wohl ein bisschen groß.« Anna lächelte die Frau an, und jetzt stahl sich auch auf das Gesicht der Ostfriesin ein Lächeln.
    »Das ist es wohl«, bestätigte sie.
    »Und auch ein bisschen heruntergekommen.«
    »So könnte man es nennen.«
    Bevor Anna weitersprechen konnte, übertönte eine schrille Frauenstimme das leise Tuckern des Motors. »Daran sind die langhaarigen Gammler schuld!«
    Anna blickte erschrocken an der Blonden vorbei zu deren Auto und entdeckte auf dem Beifahrersitz eine alte Frau. Anna hatte sich so auf die Jüngere konzentriert, dass ihr die zweite Person entgangen war. Jetzt nahm sie die Frau genauer in Augenschein. Sie war vielleicht achtzig Jahre alt. Graue Strickjacke. Graue Haare, straff aus dem Gesicht gekämmt und zu einem kleinen Dutt am Hinterkopf verzwirbelt. Harte, braunfleckige Hände. Und ein paar wache, wenn auch etwas wässrige Augen, die mit einem derartigen Abscheu zwischen Anna und dem Haus hin und her huschten, dass Anna innerlich grinsen musste.
    »Langhaarige Gammler?«, fragte sie. »Wieso sind daran langhaarige Gammler schuld?«
    »Hören Sie nicht auf meine Mutter«, schaltete sich die elegante Frau schnell ein. »Sie ist leider ein wenig verwirrt. Ich lebe in Bremen, komme aber meist übers Wochenende hierher nach Hause und führe sie ins Café aus oder zum Essen, damit sie mal etwas anderes sieht als nur die eigenen vier Wände.«
    »Verwirrt? Das wüsste ich aber! Vielleicht nicht mehr so gut zu Fuß, aber verwirrt? Undankbares Ding.« Murmelnd lehnte sich die alte Frau in den Autositz zurück, und ihr Blick verschleierte sich.
    »Wen meinte Ihre Mutter eben?«
    Die Tochter verdrehte die Augen. »Hippies natürlich.«
    Anna schlug sich in Gedanken die Hand vor die Stirn. Die Blumen. Die Farben. Der Vorhangstoff: ein umfunktionierter Sari!
    »In Foelkenorth wohnten Hippies?«, fragte sie. Vielleicht würde sie doch noch etwas Interessantes erfahren.
    Die Frau zuckte die Achseln und lehnte sich gegen ihr Auto. Unwillkürlich bangte Anna um den hellen Hosenanzug. »Hausen trifft es wohl eher. Der Foelkenorth war zwar schon vorher länger nicht bewohnt gewesen, doch als die Hippies ihn übernahmen, ging es schnell bergab. Sie hatten keinen blassen Schimmer, wie man eine Glühbirne auswechselt, geschweige denn eine Dachschindel austauscht. Stattdessen feierten sie Feste, kifften und vögelten querbeet.«
    Anna war erstaunt über die Bitterkeit in der Stimme der Frau. Als die Hippies hier gewohnt hatten, war die Blonde selbst ein junges Mädchen gewesen. Hatte sie denn gar keine Lust verspürt, dazuzugehören? Mitzumachen? Oder hatte sie vielleicht nicht mitmachen dürfen?
    Wie zur Bestätigung ihrer Gedanken meldete sich die Mutter wieder zu Wort. »Überall

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