Im Tal des Vajont
anzuzünden, er sei schließlich ein Widerständler, also ein Ketzer, und so verbrannten sie ihn bei lebendigem Leibe. Das geschah zu Anfang des 16. Jahrhunderts. Seit mehr als dreihundert Jahren kursiert nun diese Geschichte im Tal, denn Montereale liegt nur etwa einen Gewehrschuss weit von uns entfernt am Ende des Val Cellina. Aber bevor er starb, sprach Scandella noch einen Fluch aus, worauf dann bald seine Richter einen qualvollen Tod starben. Und bis heute erkranken die Verwandten von denen, die ihn verbrannten, und müssen qualvoll sterben.
Aber auch wenn der Käse hin und wieder Würmer hat, isst man ihn trotzdem einschließlich der Würmer und allem, was dazugehört, und wirft ihn deshalb nicht gleich weg. Und sie schmecken gut, die Würmer, so weiß und saftig, und salzig schmecken sie, denn sie saugen die Salzlake in sich auf. Dabei muss ich an meinen Freund Felice Corona Menin denken, der wie ich 1879 geboren wurde, der Bruder vom dem, der auf dem Pal Piccolo gestorben ist. Er wurde auch »der Taube« genannt, weil er sehr schlecht hörte, aber viele glaubten, er würde nur so tun, als ob, um die anderen besser aushorchen zu können. Er liebte es, eine Form Käse voller Würmer, wie ein weißer Ameisenhaufen, aufzubrechen und Polenta hineinzutunken. Dabei drückte er das Stück Polenta in die Würmer, dass diese daran haften blieben, und so aß er es dann, voll mit warmen Würmern. Und wie gut die schmeckten!, pflegte Felice dann zu sagen.
Ganze Tage verbrachte ich mit Raggio zusammen auf der Jagd, bei der Holzarbeit, beim Weiden und in der Käserei. Wir waren gute Freunde geworden, und so blieb es auch, bis seine Frau schließlich anfing, mir schöne Augen zu machen.
Das erste Mal machte sie mir in der Käserei schöne Augen. Während ich die Milch abkochte und Raggio Holz aufs Feuer legte, kam sie an meine Seite, um das Lab in den Käsekessel zu schütten. Dabei spürte ich auf einmal, dass sie mit einem Knie gegen meinen Unterleib drückte. Zuerst dachte ich noch, sie hätte das Gleichgewicht verloren und mich dabei aus Versehen angestoßen. So trat ich einen Schritt zur Seite, um dem Kontakt auszuweichen, der mir das Blut so erhitzt hatte wie die Milch im Kessel. Aber sie folgte mir nach und begann wieder, als wäre nichts dabei, ihr Knie gegen meinen Unterleib zu drücken, während ihr Mann mit dem Rohr ins Feuer blies. Damit sie endlich aufhörte, ging ich zum Schein nach draußen, Holz holen, aber als ich wieder hereinkam, schaute sie mich schief an, wie beleidigt oder wie um mich zu tadeln. Ihre schönen und geheimnisvollen Augen zogen mich zu ihr hin wie ein Sapie, der einen Stamm fortzieht. Und sie sagte nie ein Wort. Dagegen sprachen ihre Augen, die einen so spontan anzogen wie der Magnet den Nagel. Eine Frau, die nichts sagt, reizt tausend Mal mehr den Appetit als eine, die spricht. Wenigstens bei mir ist es so.
Mit ihren Magnetaugen hatte die Frau von Raggio mich so angezogen, dass ich nicht mehr von ihr loskam. Ab diesem Tag in der Käserei summte ein ganzer Bienenschwarm in meinem Kopf herum, und mit allen Mitteln versuchte ich ihn loszuwerden und ihr fernzubleiben. Aber jedes Mal, wenn ich sie sah, begannen die Bienen wieder in meinem Kopf zu summen.
Als ich an einem Sommertag vom Bach Bondi aufstieg, sah ich sie, wie sie am Ufer des Vajont kniete und ihre Kleider auf einer Saldànsteinplatte auswusch. Der Saldànstein ist ein hervorragender Schleifstein, und die Kleider werden auf ihm so sauber wie auf keinem anderen Stein der Welt. Ich war sicher, dass auch sie mich aus den Augenwinkeln heraus gesehen hatte, denn nach einem flüchtigen Blick drehte sie sich zu mir um und sah mir direkt in die Augen. Dann, als hätte sie mich nicht gesehen, wandte sie mir wieder den Rücken zu und wusch weiter. Dabei beugte sie sich absichtlich so weit nach vorn, dass ihre Nase fast das Wasser berührte und ihr Kleid ihr über den Hintern hochrutschte, sodass ich alles sehen konnte. Es war klar, dass sie mich erregen wollte, und das war ihr wahrlich gelungen. Er wurde mir hart wie ein Bachkiesel, und um ein Haar hätte ich sie da beim Kleiderwaschen auf der Steinplatte wie einen Frosch durchbohrt. Und weil man das mit einem Mann nicht machen kann, ihn absichtlich so zu erregen, hätte ich vor Wut am liebsten noch ihren Kopf unter Wasser gedrückt. Aber während sie ein Betttuch ausspülte, immer noch so vornübergebeugt mit entblößtem Hintern, konnte ich nicht anders, als noch einmal hinzuschauen.
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