Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
Stimmung etwas.
An diesem gottverlassenen Ende der Welt Besuch zu bekommen, glich einer kleinen Sensation.
Schnell informierte sie Hariata, dass sie einen Gast zum Abendessen hatten, dann kehrte sie auf die Veranda zurück.
Auf dem letzten Wegstück fielen die Pferde in einen hastigen Trab. Sie witterten den Stall. Endlich konnte Johanna den Gast erkennen. Es war kein anderer als der Missionar aus dem Maori-Dorf, Father Blake.
Johannas Herz schlug vor Freude schneller. Wie sehr hatte sie sich nach einem Gespräch mit dem Priester gesehnt, und Gott schien ein Einsehen mit ihr zu haben.
Die Pferde, das Fell durchtränkt vom Regen, erklommen die letzte Steigung und hielten schnaubend vor der Veranda. Father Blake mühte sich aus dem Sattel, stieg die wenigen Stufen hinauf und ergriff zur Begrüßung Johannas Hände. Sie wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen, so sehr sehnte sie sich nach der Nähe eines anderen Menschen.
» Father Blake, was für eine wunderbare Überraschung, welchem glücklichen Umstand verdanken wir Ihren Besuch? «
Thomas war ebenfalls vom Pferd gestiegen, drückte kurz Johannas Hand und beantwortete ihre Frage an Stelle des Missionars.
» Es gibt Post für uns, aus England. Mr Blake war so gütig, sie uns selbst vorbeizubringen. «
» Die Gelegenheit, meine Nachbarn zu besuchen, konnte ich mir doch nicht entgehen lassen. Außerdem vermisste ich den guten Geist meines Hauses « , sagte der alte Missionar und lächelte verschmitzt. Doch Johanna entgingen die grauen Sorgenfalten nicht, die sich tief in sein Gesicht gegraben hatten, wie Wasser in hartes Gestein.
» Kommen Sie erst einmal herein und wärmen Sie sich auf. Sie sind ja völlig durchnässt. Ich bringe Ihnen frische Kleidung und ein paar Decken, dann geht es gleich besser. «
Mit einem Blick auf Ben, der die müden Pferde an den Zügeln hinter sich her in den Stall zog, schloss Johanna die Tür.
Hariata war bereits davongeeilt und brachte für beide Männer frische Kleidung. Dann begrüßten der Missionar und sie sich herzlich. Thomas legte unterdessen Holz nach und fachte das Feuer im Kamin an.
Aufgeregt wie ein kleines Kind sehnte Johanna den Moment herbei, in dem sie den Brief aus der Heimat in der Hand halten würde. Sie zwang sich, es sich nicht anmerken zu lassen. Flink setzte sie Wasser für Tee auf.
Dann endlich brachte der Maori-Junge die Satteltaschen des Priesters herein, und Father Blake überreichte ihr den Brief. Zwei weitere, die an Thomas adressiert waren, legte er auf einen Tisch.
» Von wem ist er? « , die barsche Frage ließ Johanna zusammenfahren. Unsicher überreichte sie ihrem Mann den Umschlag. Sie hatte seit dem Mord immer ein wenig Angst vor ihm.
» Von Vater. «
Thomas überprüfte den Absender und gab ihr das Kuvert ungeöffnet wieder.
Die Männer zogen sich zurück, um sich umzukleiden. Johanna fühlte sich sogleich besser. Es fiel ihr leichter zu atmen, als öffnete sich durch Thomas’ Abwesenheit die Tür ihres Gefängnisses, in dem sie seit dem ersten Tag ihrer Ehe lebte.
Mit einem tiefen Seufzer ließ sie sich auf einen Stuhl sinken und schlitzte den Umschlag auf. Es waren zwei Seiten, fein säuberlich beschrieben in der ordentlichen Handschrift Anthony Chesters. Johanna überflog den Inhalt.
Allen ging es gut. Sie sorgten sich um Johanna, aber sie bekam das Gefühl, dass es eher ihr Vater war, der sie vermisste. Zwischen den Zeilen war eine deutliche Anklage herauszulesen, dass ihre Mutter sich die neu errungene finanzielle Sorglosigkeit zunutze machte, um in der feinen Londoner Gesellschaft Freunde zu gewinnen.
Johannas Vater war ganz hingerissen von der Holzfigur, die ihm Johanna hatte zukommen lassen, und bat um weitere.
So etwas hat man hier selten gesehen. Meine Freunde gehen mich darum an, ihnen das Stück zu verkaufen. Sie bieten hohe Summen. Ihr Vater schlug vor, eine Art Handel mit Maori-Kunsthandwerk aufzubauen, der Johanna und ihm einen guten Verdienst einbringen würde.
Johanna hob den Kopf und blickte zu einem kleinen Fenster. Ein Vorhang aus Schlieren und Tropfen, die unablässig am Glas hinunterliefen, machte es unmöglich, draußen etwas zu erkennen.
Es konnte nicht ewig so bleiben. Der Frühling würde bald kommen, und man konnte wieder reisen. Schon jetzt ertrug sie es kaum noch, tagein, tagaus in der kleinen Hütte zu verbringen.
Bei den Eingeborenen Schnitzereien zu erwerben und nach London weiterzuverkaufen, was für eine wundervolle Idee und welch eine
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