Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
über seinen Schatten zu springen.
Nein, jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um mit ihr darüber zu sprechen, und vielleicht kam er nie. Und doch, sie ging auf Abstand. Ihr Rücken schmiegte sich bei Weitem nicht mehr so selbstverständlich in seinen Arm, und konnte es sein, dass sie seinem Blick auswich? Wo war das Leuchten der Verliebtheit geblieben?
» Es war nicht so wild « , beantwortete er ihre Frage. » Ist alles wieder geheilt. Ich wollte dir keine Sorgen bereiten. «
» Oh, das hast du aber. Zur Wiedergutmachung wirst du morgen etwas mit mir unternehmen. « Sie grinste neckisch. » Du hast dich vor Weihnachten gedrückt, aber es finden eine ganze Woche lang Neujahrskonzerte in New Plymouth statt. «
» Versprochen, mein Ehrenwort als Offizier. Für heute reichen mir allerdings ein heißes Bad und eine warme Mahlzeit. Vielleicht leistest du mir am Tisch Gesellschaft? «
» Mit dem größten Vergnügen. Aber wir werden noch mehr Gesellschaft haben. Heute Abend feiern wir mit der ganzen Familie. Schon seit Tagen dreht sich jedes Gespräch um das große Festessen. «
Gegen seinen Protest half sie ihm, seine Tasche zu tragen. Der feine Nieselregen hatte aufgehört, und sie gingen über den in der Sonne dampfenden Hof zum Haupthaus.
Februar 1848
Im Tal des Windes
T homas richtete sich zornig in seinem Sessel auf. » Du hast was getan? «
» Du hast richtig gehört! Ich habe diese widerlichen Kerle fortgeschickt. Sollen sie doch Wale jagen und Robben erschlagen, aber auf meinem Hof arbeiten sie nicht, Thomas! Wir haben Frieden, und ich lasse nicht zu, dass alles wieder von vorn anfängt! «
» Das ist mein Haus, Johanna! Du wagst es, meine Männer zu feuern? « Er sprang auf und war mit ein paar Schritten bei ihr. Johanna gelang es gerade noch, seiner Ohrfeige auszuweichen.
Durch die Wucht des Schlages geriet Thomas ins Straucheln. Er war noch immer nicht ganz genesen. Nur der Tisch, den er im letzten Moment zu greifen bekam, verhinderte seinen Sturz. Seit ihrer Rückkehr von Urupuia hatte sich Johanna eines fest in den Kopf gesetzt: Wenn das Schicksal sie schon dazu verdammte, mit diesem Mörder unter einem Dach zu leben, dann würde sie die Herausforderung annehmen. Vorbei war die Zeit, in der sie sich herumkommandieren ließ, vorbei die Zeit, in der sie die duckmäuserische, unerfahrene Ehefrau gab. Thomas hatte viel von seiner Stärke eingebüßt, und das nicht nur körperlich. Ohne die Fabrik fehlte ihm das Fundament. Er war nicht mehr der reiche Versorger, er hatte weder ein Geschäft, noch stand ihm seine rechte Hand Arthur zur Seite, der die Drecksarbeit erledigte. Im Moment war Johannas Handel mit den Maori-Schnitzereien die einzige Einnahmequelle, die nach wie vor florierte. Und sie gedachte, ihre Macht zu nutzen.
Thomas’ Gesicht war feuerrot angelaufen, doch er hatte nicht die Kraft, sie wütend anzuschreien. Er stützte sich mit einer Hand an dem Tisch ab, die andere presste er auf die schmerzende Brust.
» Johanna, du wirst sie sofort zurückholen und dich entschuldigen! «
» Nein! Niemals. Wenn jemand an meinem Haus baut, dann Menschen, denen kein Blut an den Händen klebt! «
» Dein Haus? « , fauchte er ungläubig.
Johanna stürmte aus dem Zimmer und schaffte es gerade noch ins Bad, wo sie sich in die Waschschüssel übergab.
» O verdammt, Liam, das darf doch nicht wahr sein! « , fluchte sie leise und legte ihre Hände auf den Unterleib. Die Übelkeit begleitete sie schon seit Tagen. Am schlimmsten war es morgens.
Sie sah auf. Begegnete ihrem Gesicht in dem kleinen Spiegel, der nach der Plünderung nun den Platz des großen goldgerahmten Prachtstücks einnahm. Sie war totenblass. Die Augen waren dunkel gerändert, aber sie hatten diesen besonderen Glanz, den sie von anderen schwangeren Frauen kannte. Die Wahrheit ließ sich wohl kaum noch lange leugnen.
Johanna bedeckte die Waschschüssel mit einem Handtuch, öffnete die Tür einen Spaltbreit und spähte hinaus. Der Flur war leer. Thomas hatte sich sicherlich wieder einmal in seinem Arbeitszimmer verkrochen, wo er schmollend über seine plötzlich so veränderte Frau nachsann.
Hastig durchquerte Johanna den Gang, eilte die Treppe hinunter und durch die Hintertür zum Hof hinaus. Dort wäre sie beinahe mit Hariata zusammengestoßen.
» Entschuldige! « Johanna ging um sie herum, lief noch ein Stück und kippte den Inhalt der Schüssel schließlich unter einen Busch. Als sie sich aufrichtete, kroch ein kalter Schauder
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