Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
verdanken wir deiner Gier « , sagte sie bitter.
» Johanna… « Thomas war zu schwach, um mehr zu erwidern. Nebeneinander ritten sie die letzten Meter, vorbei an der kugeldurchsiebten weißen Holzfront und blinden, brettervernagelten Fenstern, durch das Tor und bis auf den Hof. Johanna hatte einige Maori aus Urupuia bezahlt, um provisorische Pferche und Unterstände zu bauen, die nun wie helle Skelette aus den verbrannten Gebäuden aufragten. In der Luft lag noch immer Brandgeruch.
Frische Erdhaufen zeugten wie Mahnmale davon, wo die Kadaver der verendeten Tiere verscharrt worden waren.
Johanna schluckte. Dort irgendwo lag auch die arme Star. Ihr Grab war mit einem kleinen Stein markiert.
Trotz der Verluste und grausamen Erinnerungen, die von nun an mit diesem Ort verknüpft sein würden, war Johanna froh, wieder in ihrem eigenen Haus zu sein. Gemeinsam mit Hariata half sie Thomas aus dem Sattel und führte ihn zur Hintertür. Vorbei an der Stelle, wo er beinahe gestorben wäre, und durch den Flur, in dem sie Heenis Leiche gefunden hatten.
» Wo sind die Möbel? Die Standuhr? « , stöhnte Thomas und wandte irritiert den Kopf. Sogar die Teppiche waren fort. Sein Blick begann merkwürdig zu glühen.
» Wir leben, Thomas! Was kümmert dich da eine verdammte Standuhr? Du hast diesen Kampf verloren. Sie haben alles geplündert. Es ist nichts mehr da. Danke Gott lieber, dass sie das Haus nicht niedergebrannt haben! «
Johanna fasste Thomas fester um die Taille und gab Hariata mit einem Blick zu verstehen, dass sie gehen konnte. Die Maori nickte dankbar. Stufe für Stufe kämpfte Johanna sich weiter die Treppe hinauf.
Dort, wo früher Gemälde und silberne Leuchter gehangen hatten, waren bloß noch Schatten geblieben.
» Verdammte Diebe! Das werden sie mir büßen! « , fluchte Thomas.
» Niemand wird etwas büßen « , gab Johanna zornig zurück. » Es herrscht Frieden, und so bleibt es, sonst verlasse ich dich, Thomas Waters, das ist mein voller Ernst! Rührst du oder deine Männer noch einmal einen unschuldigen Menschen an, siehst du mich nie wieder! «
Thomas schnappte ungläubig nach Luft, eine passende Replik fiel ihm nicht ein.
In der Nähe von New Plymouth
L iam ging wie die meisten anderen Reiter zu Fuß und führte sein Pferd am Zügel über loses Geröll. Das heftige Sommergewitter des Vortages hatte die Hänge ins Rutschen gebracht. An vielen Weideflächen waren die Wege unter Bergen von Steinen und Schlamm begraben.
Auch jetzt nieselte es. Die Luft war neblig trüb. Vom nahen Vulkanberg Mount Taranaki war nichts zu sehen, und die Wiesen wirkten grau wie verwaschene Kleider.
Liam wischte sich den Regen aus dem Gesicht. Das Leder seines Reithandschuhs war durchnässt und hinterließ einen glitschigen Film von altem Pferdeschweiß und Sattelfett.
Leise fluchend stapfte er weiter. Selbst die Stiefel waren aufgeweicht. Von einem löste sich bereits die Sohle, und wenn er nicht bald wieder in den Sattel kam, würde er die Kaserne barfuß erreichen.
Der Abschied von Johanna war ihm schwergefallen, und er wünschte sich, dass sich auch die Heimkehr in die Kaserne noch ewig hinziehen würde.
Er wusste, wie sehnsüchtig ihn Marina erwartete. Mit der gleichen Inbrunst, mit der er dem Wiedersehen mit Johanna entgegensah, wartete sie auf ihn. Und gerade deshalb musste er mit ihr sprechen und diese Farce beenden.
Marina hatte so etwas nicht verdient. Sie wartete nun schon beinahe ein Jahr auf ihn. Kostbare Zeit, in der sie längst hätte einen anderen finden und glücklich werden können.
Ihr in die Augen sehen zu müssen und zu erklären, all ihr Warten sei umsonst gewesen, war eine grauenhafte Vorstellung.
Die Kompanie hatte die höchste Stelle des Hanges erreicht. Von nun an ging es abwärts. Liam musterte seinen Wallach. Cassio war genauso müde wie er. Aus der strähnigen Mähne tropfte das Regenwasser, das Fell war stumpf und verklebt, sodass hier und da alte Narben zu sehen waren. Wie viele Kämpfe Cassio schon hatte durchstehen müssen, und wie durch ein Wunder vertraute ihm der Gaul noch immer. Auch jetzt trottete er mit halb geschlossenen Augen neben ihm her und verließ sich darauf, dass sein Reiter den richtigen Weg schon finden würde.
» Wach auf « , ermahnte Liam das Tier und stieß ihm freundlich mit dem Ellenbogen gegen die Schulter. Gerade noch rechtzeitig grub der Wallach die Hufe tiefer in die losen Steine, setzte die Hinterbeine auf und rutschte neben ihm den Hang hinab.
Unten
Weitere Kostenlose Bücher