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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Maly
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Johanna weiter, die unwillig hindurchsah und Reihe um Reihe von ihrer erhobenen Position auf dem Balkon aus musterte. Die meisten Adeligen waren alte Bekannte, niemand erregte ihr Interesse, bis sie sich weiter vorneigte und plötzlich auf den günstigen hinteren Plätzen eine Gruppe junger Männer in Ausgehuniform entdeckte. Liam war hier! Sie erkannte ihn sofort. Ihr Herz tat einen heftigen Sprung, und zugleich befiel eine merkwürdige Schwäche ihren Körper. Als hätte Liam ihre Anwesenheit gespürt, sah er auf. Ihre Blicke begegneten sich, und er lächelte glücklich. Im gleichen Moment wurde Johanna von ihrer Mutter energisch an der Schulter gefasst und zurückgezogen.
    Lady Chester schüttelte empört den Kopf und nahm ihr das Opernglas ab.
    Johanna kochte innerlich vor Wut. Warum war die Welt so schrecklich ungerecht! Liam konnte ihr noch so viele Briefe schreiben, seine Chancen erhöhten sich dadurch nicht. Aber wie hätte sie es ihm sagen sollen?
    Tut mir leid, mein Herz gehört Ihnen, aber leider sind Sie nicht vermögend genug? Das war erbärmlich.

    Das sollte er also sein, der Retter der Familie Chester und damit ihr zukünftiger Ehemann. Sie hatte ihn am Vorabend im Theater kennengelernt. Kein Wort durfte sie mit Liam wechseln, stattdessen hatte sie brav neben ihrer Mutter gestanden, während dieser Kerl sie mit spitzen Blicken gelöchert hatte, als sei sie ein Nadelkissen. Die heimlichen Blicke, die sie mit Liam Fitzgerald austauschte, hatte er allesamt registriert.
    Johanna seufzte, stützte das Kinn auf die Hände und starrte wieder hinaus in den Hof. Der Fremde entstammte einer reichen Familie von Industriellen, die große Manufakturen in London, Bedford und Manchester betrieben. Er fuhr in einem funkelnden Landaulett vor, die Kutsche und das rassige Pferd waren so viel wert wie ein kleines Stadthaus. Kein Wunder, dass er ihren Eltern gefiel.
    Der schlanke Mann strich seine Kleidung glatt, die der neuen Mode bei Hofe entsprach.
    Johannas Zeit lief ab. Wahrscheinlich schickte ihre Mutter gleich wieder Dora, um sie zu holen. Es klopfte an der Tür.
    » Miss Johanna? « , erklang auch schon die schüchterne Stimme der Hausangestellten.
    » Ja, ich komme schon. «
    Jeder Schritt die Treppe hinunter war ein Kampf, dennoch gelang es Johanna, mühsam ein Lächeln aufzusetzen und artig zu knicksen.
    Lady Chester begrüßte den Gast überschwänglich, doch Thomas Waters hatte nur noch Augen für Johanna, die schüchtern und mit kaum zu verhehlender Skepsis an der Tür stehen geblieben war.
    » Johanna, hast du denn sämtliche Manieren vergessen? « , zischte ihr Lady Chester zu und lächelte Thomas gleich darauf verschwörerisch an.
    » Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit « , hauchte sie und wich seinem Blick aus, als er einen Kuss auf ihre Hand drückte, wo eigentlich höchstens eine flüchtige Berührung erlaubt war. Ihre Hand war kalt, die zarten Finger zerbrechlich wie beieinem kleinen, toten Vogel. Sie mochte ihn nicht, das war klar.
    Johanna hatte das Gefühl, plötzlich nicht mehr atmen zu können. Thomas Waters starrte sie mit seinen wasserblauen Augen unentwegt an, als wollte er sie wie ein gieriges Raubtier verschlingen. Er war ihr unheimlich.
    Ihrer Mutter schien das nicht aufzufallen. Während sie ihm zahlreiche Komplimente machte, bat sie den Fremden zu Tisch.
    Johanna folgte ihnen und setzte sich Waters gegenüber, wie es ihr eingeschärft worden war. Sie verkrampfte den Mund zu einem Lächeln, das in den Augen ihres Gegenübers ein unheimliches Feuer entfachte.
    Thomas hatte hellbraunes Haar, ein weiches Gesicht mit einer dennoch kräftigen Kieferpartie, die ihm den Eindruck ständiger Verbissenheit gab. Auch jetzt schien er, wenn er nicht gerade Fragen ihrer Eltern über seine Tuchfabrik beantwortete, die Zähne aufeinanderzupressen.
    Aber vielleicht war ihm die Situation genauso unangenehm wie ihr, überlegte Johanna. Doch nein, er war im Gegensatz zu ihr freiwillig hier. Johanna wagte kaum aufzusehen, so oft lag sein Blick auf ihr.
    Die Minuten dehnten sich aus zu einer Ewigkeit. Immer wieder umrundete die Angestellte Dora den Tisch und goss Tee nach, dann endlich wünschte selbst ihre Mutter nicht mehr nachgeschenkt zu bekommen.
    » Johanna. Würdest du unseren Gast in den Garten begleiten? «
    Sie schrak auf. Ihrem Vater, sonst die Güte in Person, war seine Unzufriedenheit deutlich anzusehen. Eigentlich hätte sie dieses Angebot selbst aussprechen sollen! Ihr schoss die Röte ins

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