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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Maly
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längst der Vergangenheit an, denn jetzt wurde ihm wieder einmal vor Augen geführt, dass er die Aufgabe als Familienoberhaupt schlecht versehen hatte. Ein Versagen, das nun die Zukunft seiner einzigen Tochter bestimmte. Johanna hielt es ihm nicht vor, doch sie konnte auch nicht so tun, als träfe ihn keine Schuld.
    Und so fiel kein einziges Wort, während sie durch den Saal schritten, um die vielen jungen Männer zu mustern, von denen nicht wenige selbst auf Brautschau waren.
    Johanna tanzte mit einigen, dann entdeckte sie die Fitzgerald-Brüder unter den Neuankömmlingen, und die Zeit schien plötzlich still zu stehen. Liam kam sofort auf sie zu, doch auch Anthony Chester hatte ihren Verehrer bemerkt. Er warf Johanna einen mahnenden Blick zu.
    » Du wirst ablehnen « , entschied er.
    Entschlossen schob sie die Hand ihres Vaters fort. Das durfte er ihr nicht nehmen.
    » Nein « , erwiderte sie. » Einmal werde ich mit ihm tanzen, nur ein einziges Mal. «
    Antony Chester hob an, um etwas zu erwidern, doch Johanna ging Liam bereits entgegen. Es kam ihr vor, als würde sie schweben. Der Schotte hatte nur Augen für sie. Er verbeugte sich lächelnd.
    » Gewähren Sie mir einen Tanz? «
    » Es ist Ihr Ehrentag, wie könnte ich einem frischgebackenen Offizier diese Bitte abschlagen « , gab sie mit glühenden Wangen zurück.
    Es war wie ein wahr gewordener Traum. Runde um Runde walzten sie über das Parkett. Die Hände warm ineinander verschränkt, seine Rechte auf ihrem Rücken und die Gesichter so nah, dass sich ihr Atem mischte. Johanna wollte für immer in seine leuchtend blauen Augen schauen und tanzen, tanzen, tanzen, bis die Welt sie beide vergaß.
    Liam machte ihr Komplimente, scherzte und lachte. Er hatte die Prüfungen der Akademie mit Bravour bestanden und strahlte Glück und Stolz aus. Es war leicht, die mahnenden Blicke zu ignorieren, leicht, auch Thomas Waters zu übersehen, der darauf wartete, Liam abzulösen, und nach jedem Stück erneut zu ihr trat und von Liam abgewiesen wurde.
    » Sie sehen doch, dass die Dame mit mir tanzt « , sagte er zu dem Fabrikanten mit leiser Arroganz in der Stimme, und Johanna wagte es nicht aufzusehen, bis Thomas sich wieder abwandte. Mit vor Wut steifen Schritten ging er zurück zu ihren Eltern, und Johanna wusste, dass sie ihr bald die Hölle auf Erden bereiten würden. Aber noch nicht, noch würde sie die kostbaren Augenblicke genießen.
    Schließlich stahlen sie sich davon, atemlos und mit glühenden Wangen, hinaus in den Garten.
    Die warme Sommernacht umfing sie mit ihrem besonderen Zauber. Runde Lampions und Fackeln schmückten die Wege. Aus dem Saal hallte Lanners Mille Fleurs Walzer, und irgendwo verborgen im Garten spielte ein Quartett ein Stück von Chopin. Johanna nippte an ihrem Champagner, der herb in der Kehle prickelte und die Gedanken beinahe schwerelos werden ließ. Sie hatte ihre Hand sittsam auf Liams Arm gelegt, doch sobald sie dichte Heckenreihen vor den Blicken der anderen Gäste verbargen, legte er seine Hand auf ihre. Die sachte Berührung versetzte jede Faser ihres Körpers in Aufregung. Alles drehte sich, alles strahlte.
    Hinter einer Anpflanzung aus Fliederbüschen legte Liam schließlich seinen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. Johanna verlor sich in seinen Augen, während Liam ihre Hand wieder und wieder küsste.
    Schließlich hielt er inne. Johanna fühlte ihr Herz bis in die Schläfen pochen, wild und schnell. Beschämt senkte sie den Blick, doch Liam strich ihr über die Wange und hob ihr Kinn. Seine Augen hatten etwas Magisches an sich. Sobald sie wagte, ihn anzusehen, war sie wie verzaubert.
    » Ich hege einen Wunsch, schon seit unserer ersten Begegnung « , erklärte er und schien dabei fast ein wenig schüchtern. Die Souveränität, die sie sonst an ihm beobachtete, versagte ihm in ihrer Nähe den Dienst.
    Machte sie ihn etwa genauso nervös wie er sie? Das konnte doch nicht sein, oder? Geduldig wartete er, bis sie ihre Schüchternheit überwand.
    » Um was wollen Sie mich bitten? « Sie konnte kaum sprechen.
    » Um einen Kuss. «
    Sein Gesicht war plötzlich ganz nah. Warm strich der Atem über ihre Haut. Sie konnte die herbe Schwere seines Rasierwassers riechen und auch ein wenig Pfeifenrauch. Er hielt inne, ganz dicht vor ihrem Mund, und ließ einen Herzschlag verstreichen. Johanna schloss die Augen und überwand die winzige Distanz. Eine Berührung wie feste, warme Seide.
    Sie würde diesen ersten Kuss nie vergessen. Er hüllte

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