Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
sie und Liam in einen magischen Kokon, in dem nichts mehr wichtig war. Es gab nur noch Johanna und Liam. Keine Sorgen, keine Vergangenheit, nur einen Hauch von Ewigkeit. Die Zeit stand still in ihrem kleinen Reich und schien draußen ohne sie zu verstreichen.
Schließlich lösten sie sich voneinander. Eng aneinandergeschmiegt gingen sie tiefer in den schattigen Garten.
» Ich sollte mich wirklich schämen. Ich habe Ihnen noch gar nicht gratuliert, Sie sind jetzt Offizier. «
Liam lächelte.
» Dass Sie hergekommen sind, macht mich zu einem glücklichen Mann. «
Wie ein Schatten legte sich der Gedanke auf sie, ihn bald unglücklich machen zu müssen. Wie sollte sie ihm nur sagen, dass alles, was sie hatten, dieser eine Abend war, geborgte Zeit, dass ihre Zukunft bereits feststand?
Der junge Offizier schien von der Aussichtslosigkeit seines Werbens nichts zu ahnen. » Miss Chester « , sagte er plötzlich mit weicher Stimme und blieb stehen. Johanna wollte das Herz schier aus der Brust springen. Liam räusperte sich. » Sie sind eine außergewöhnliche Frau, Johanna, geistreich, mutig und neugierig. Wie schön Sie sind, wissen Sie selbst. «
Johanna stockte der Atem. Sie ahnte, hoffte, fürchtete, was er sagen würde.
» Ich würde gerne mit Ihrem Vater sprechen, Miss Chester, wenn es Ihnen recht ist? «
Und wie recht es ihr war!
» Ich, ich… mein Vater… « Tränen drohten ihre Antwort zu ersticken. Sie musste es ihm sagen, jetzt, hier, und damit alles zerstören. Er merkte nicht, wie verzweifelt sie war. Johanna suchte Vergessen in einem Kuss. Sie wusste, er würde ihn als Zustimmung verstehen. Leidenschaftlich zog er sie an sich, und Johanna ließ sich bereitwillig in diese neue Welt entführen. Der Kuss war noch schöner als der erste, und sie wünschte, er würde niemals enden.
Ein lauter werdendes Knirschen auf dem Kiesweg riss sie schließlich aus ihrer Traumwelt und brachte sie in die Realität zurück.
Johanna machte sich von Liam los und sah sich gleich mit mehreren Beobachtern konfrontiert.
Ihre Mutter, das Gesicht brennend vor Zorn, an ihrer Seite Thomas Waters und zwei seiner Kumpane. Anthony Chester eilte als Letzter hinzu.
» Mr Fitzgerald, schämen Sie sich nicht? « , fuhr Lady Chester ihn an. » Wenn die Zukunft unseres Empire auf dem Dienst ehrloser Männer wie Ihnen beruht, dann sehe ich schwarz. Das Vertrauen einer jungen Dame derart auszunutzen, pfui! Sie sind eine Schande für den Offiziersstand! « Ihre knochige Hand schnellte vor, packte Johanna am Arm und zog sie fort.
Liam schwieg schockiert, hatte die Hand bereits am Degen. Wäre diese Beleidigung nicht aus dem Mund einer Frau gekommen, hätte er sie mit der Klinge erwidern können, so blieb ihm nichts anderes übrig, als in ohnmächtiger Wut zu verharren. Er ignorierte Thomas Waters’ Blick, der es offensichtlich zu gerne mit ihm aufgenommen hätte.
Johanna stolperte hinter ihrer Mutter her, die sie wie ein ungezogenes Kleinkind fortzerrte.
Als sie die Stufen erreichten, die in den Ballsaal führten, kam ihnen Duncan Fitzgerald entgegen, wohl um seinem Bruder zur Hilfe zu eilen. Er warf Johanna einen wissenden Blick zu, dann war er auch schon fort.
Im Garten brach ein Wortgefecht los. Elisabeth Chester hatte Thomas und Liam scheinbar mit Absicht gegeneinander aufgehetzt.
» Lass mich los, Mutter! « Johanna stemmte sich gegen den harten Griff, doch dann wurde sie auf der anderen Seite von ihrem Vater gepackt, der ihnen gefolgt war. Widerstand war nun zwecklos.
Die Chesters kehrten nicht in den Ballsaal zurück. Sobald sie die Kutsche erreichten, wurde Johanna unsanft hineingestoßen. Die Tür knallte zu, und sofort setzte sich das Gefährt in Bewegung.
Durch einen Tränenschleier starrte Johanna in die verzerrten Gesichter ihrer Eltern, deren wütende Stimmen zu einem unerträglichen Lärm anschwollen. Johanna presste die Hände auf die Ohren, wollte nichts mehr hören. Verstanden sie denn gar nichts?
Eine Ohrfeige brannte auf ihrer Wange, dann packte Lord Chester ihre Hände und riss sie herunter.
» Was ist zwischen dir und Fitzgerald vorgefallen, Johanna, raus mit der Sprache! « , brüllte er.
» Ich liebe ihn. «
» Unsinn! «
» Sie ruiniert alles, alles « , wiederholte Elisabeth Chester und schüttelte den Kopf.
Anthony Chester starrte seine Tochter an, als könne er kraft seines Blickes die Wahrheit aus ihr herausquetschen. Eingeschüchtert stammelte Johanna: » Wir haben uns geküsst, nur das eine
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