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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Maly
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Ende, und die Verschläge wurden höher. Die zahlreichen Boxen waren nicht viel breiter als die Pferde selbst. Die Tiere konnten sich kaum bewegen, geschweige denn umdrehen.
    Johanna entdeckte die Shire-Pferde sofort, da sie alle anderen Pferde mühelos überragten. Thomas wollte eine Zucht aufbauen und brauchte die Tiere zum Holzrücken für sein Sägewerk. Es waren ein Hengst und vier Stuten, allesamt tragend. Die Augen der großen Kaltblüter blickten alles andere als gelassen drein. Sie waren selbst auf der Stirn nass geschwitzt, und unter den ledernen Halftern stand weißer Schweiß.
    Johanna ging an ihnen vorbei, strich mal hier, mal da über die aufgerissenen Nüstern. Dann sah sie Star. Die Stute stand in der letzten Box und schnaubte, sobald sie den Schritt ihrer Besitzerin hörte.
    Johanna rannte die letzten Meter. Es war ihr egal, was der Stallbursche von ihr dachte, als sie beide Arme um den Hals der Stute schloss und das Gesicht ins Fell presste. Star schnaubte laut und rieb ihr Maul über den Rücken ihrer Besitzerin.
    » Geht es dir gut? « , flüsterte Johanna. » Ich weiß, dass du Angst hast, ich habe auch Angst, der Sturm war schrecklich. «
    Sie strich der Stute über das verklebte Fell. Plötzlich zuckte das Tier zurück, und Johanna bemerkte, dass ihre Finger nicht vom Pferdeschweiß feucht waren.
    » Was ist das? «
    Sie hielt die Hand ins Licht. Ihre Finger waren rot, es war Blut!
    » Sie ist verletzt! « Johanna fuhr die Angst in die Glieder.
    » Wo? « Der junge Mann trat näher und hob eine qualmende Tranlampe über die Boxentür, dann sahen sie es beide. In der Schulter der Stute klaffte ein tiefer Riss. Ein Stück Fell hing in Fetzen hinunter. Blut war überall, floss das Vorderbein des Tieres hinab und bildete auf dem dreckstarrenden Boden eine Lache.
    » Das sieht nicht gut aus « , murmelte der Junge.
    Johanna hatte es für einen Augenblick die Sprache verschlagen.
    » Der Hengst neben ihr hat beim Sturm ziemlich getobt, er muss sie getroffen haben. «
    » Gibt es hier einen Tierarzt? «
    » Nein. «
    » Was sollen wir denn jetzt machen? «
    » Ich will Ihnen keine falschen Hoffnungen machen, Lady. So eine Wunde kann schnell brandig werden. Vor allem hier unten. «
    » Kann denn niemand helfen?
    » Hier an Bord sind einige Frauen, die sich um die Kranken kümmern, vielleicht kann eine von ihnen… «
    » Ja, ja bitte, hol sie her. Ich gebe dir auch Geld. «
    » Gut, ich bin gleich zurück. «
    » Warte, wie heißt du? «
    » Ronny. «
    » Ich bin Johanna Waters, danke, Ronny. «
    » Klar, Ma’am. « Der junge Mann stellte die Lampe auf dem Boden ab und lief davon.
    Die Zeit kroch dahin, während Johanna beruhigend auf das verwundete Tier einsprach und wartete. Immer wieder wanderte ihr Blick dorthin, wo der junge Mann verschwunden war.
    Eine Gruppe grobschlächtiger Kerle tauchte auf. Einer trug Seile über der Schulter, in der Hand eines anderen glaubte Johanna ein Gewehr aufschimmern zu sehen.
    Sie bogen in eine andere Stallgasse ein, wo ein Pferd immer wieder schrill wieherte und offensichtlich nicht zur Ruhe kam. Johanna durchfuhr die Erkenntnis eiskalt, dann krachte auch schon ein Schuss. Ihre Stute erschrak, machte in ihrem engen Gefängnis einen Satz nach vorn und schlug mit der Brust gegen einen Balken. Dann herrschte für einen Augenblick gespenstische Stille.
    Johanna drückte ihre Wange gegen den Hals ihres Pferdes und schloss die Augen. Was musste Star hier unten wohl schon erlitten haben? Und sie war, seit sie vor drei Wochen den Londoner Hafen verlassen hatten, nicht mehr bei ihr gewesen. Sie schwor sich, von nun an jeden Tag herzukommen, ganz gleich, dass Arthur es ihr verboten hatte. Star war das Einzige, was ihr noch aus London geblieben war, sie war ihre einzige Freundin. Und wie sehr hatte sie kämpfen müssen, damit sie das Tier überhaupt mitnehmen durfte, war es doch für die Fabrik ohne Nutzen.
    » Ich lass dich nie wieder allein, Star, nie wieder « , flüsterte Johanna der Stute in die gespitzten Ohren. Star wurde ruhiger und legte den Kopf auf die Schulter ihrer Besitzerin.
    Endlich erklangen Schritte. Eine energische Frauenstimme mit starkem irischem Akzent zog sofort alle Aufmerksamkeit auf sich.
    » Ist mir gleich, was mit dem Gaul der feinen Lady passiert ist, soll er doch verrecken! «
    Johanna fuhr herum. Ronny wurde von einer kleinen Frau begleitet, deren feuerrotes Haar sogar in der Dunkelheit des Frachtdecks wie aus eigener Kraft zu leuchten

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