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Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Im Tal des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Maly
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ihm am Sterbebett geschworen, immer sorgsam über den Jüngeren zu wachen.
    Er hatte versagt. Nun war Duncan tot, hinterrücks erschossen, und zwar seinetwegen. » Ich werde ihn finden « , würgte er bitter hervor. » Ich schwöre dir bei meinem Leben und allem, was mir lieb ist, Duncan, dein Tod wird nicht ungerächt bleiben! «
    Mit einem Ruck blickte Liam auf. Da war doch ein Geräusch gewesen! Womöglich die beiden Pferde, doch nein, er hörte Stimmen. Männer flüsterten. Waren die Mörder etwa noch ganz in der Nähe? Er ließ Duncans erkaltende Hand los, und seine Hand schloss sich fest um den Griff seines Degens.
    Womöglich kam die Chance, seinen Schwur in die Tat umzusetzen, schneller als gedacht. Die Scheide des Säbels klirrte leise, als er sich aufrichtete und kampfbereit von der Leiche wegtrat. » Zeigen Sie sich, Waters! Ich weiß, dass Sie es getan haben! «
    Bewegung im Nebel. Wie zuvor wurde die feuchte Luft immer wieder von einem schwachen Wind zerteilt. Schemen, zwei Beine, dann wieder Grau.
    Ein Pferd schnaubte nicht weit entfernt. Sein Zaumzeug klirrte, während es Gras abriss, kaute und langsam weiterging. Verfluchter Nebel. Liam glaubte schon, sein hasserfülltes Herz gaukle ihm etwas vor, als sich eine Figur aus dem Dunst löste. Thomas Waters! Noch im gleichen Anzug, den er auf dem Ball getragen hatte!
    Kurz erhellte das Mondlicht seine Züge und fiel auf den glänzenden Lauf einer Duellpistole. Dann leuchtete das Mündungsfeuer auf.
    Mit dem Knall explodierte ein stechender Schmerz in Liams Brust.
    Er kämpfte dagegen an zu fallen, doch sein Körper gab nach. Das Gras empfing ihn mit einer nasskalten Umarmung. Aus, es war aus. Der Boden vibrierte unter dem Trommeln von Hufen, und bald war es wieder still. Liam hörte noch, wie eine Kutsche davonfuhr, dann war er allein. Allein mit dem Höllenfeuer, das in seiner Brust tobte, und der Stille des Flussnebels.
    Langsam drehte er den Kopf.
    Wenn er wenigstens Duncan sehen könnte! Liams Augen brannten von der Anstrengung, in den Nebel zu starren. Mehr als ein dunkler Schemen wollte sich nicht zeigen. Das Atmen fiel ihm immer schwerer, die Beine wurden taub.
    Er kämpfte gegen die Ohnmacht, grub die Hände ins Gras, um den schwindenden Sinnen Halt zu bieten.
    Leises Schnauben drang an sein Ohr, dann strich warmer Atem wie eine freundliche Hand über seine Wange. Seine Stute war zurückgekehrt. Die Treue des Tieres machte ihm den Gedanken an den Tod leichter. Er starb nicht allein. Als Letztes schloss Liam die Hand um den Zügel, dann wurde es stockdunkel.

    Eine Woche später nahm Johanna ungläubig den Brief von Miss Warington entgegen.
    » Fort, sagen Sie? «
    » Ja, es tut mir schrecklich leid. Ich habe mich erkundigt, ob für Sie eine Nachricht hinterlassen wurde, doch die Angestellten konnten mir keine Antwort geben. «
    Johanna fühlte sich, als würde sie mit einem Mal von innen heraus erfrieren. Scharfe Eiskristalle schnitten in ihr Herz und hinterließen eine Brache dumpfer Gewissheit.
    » Und Sie wissen wirklich nicht, was geschehen ist? Sie haben doch Kontakt zu seinem Bruder Duncan « , fragte sie mutlos.
    » Nichts. Es gibt nur Gerüchte. Es hätte einen Zwischenfall auf dem Offiziersball gegeben. Und die Fitzgeralds seien auf ihren Stammsitz in die Highlands zurückgekehrt, sagt man. «

Oktober 1845
    An Bord der VJL Lionheart
    J ohanna hatte ihre Kabinentür nur einen kleinen Spalt geöffnet. Arthur musterte sie durch ebendiese Lücke kritisch.
    Würde er die Maskerade durchschauen? Johanna hoffte nicht. Ihr Herz bebte, doch mittlerweile hatte sie eine gewisse Kaltblütigkeit bei ihrem Falschspiel entwickelt.
    » Ich fühle mich wirklich nicht gut genug, um im Speisesaal zu essen. Schauen Sie mich doch an! « Sie hatte sich das Gesicht gepudert, damit sie blass aussah, und ihren Morgenrock über ein schlichtes Kleid gezogen. Für Arthur sollte es aussehen, als hätte sie das Bett kaum verlassen.
    Er nickte knapp.
    » Also gut, ich gehe allein. Haben Sie sich Ihr Essen herbestellt, oder soll ich das veranlassen? «
    » Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen, aber der Boy hat mir schon etwas gebracht. «
    » Wenn Sie mich suchen, ich bin im Speisesaal. Hoffentlich geht es Ihnen bald wieder besser. «
    Johanna lächelte, und es war ehrlich gemeint. » Vielen Dank. Ich bin einfach für die Seefahrt nicht geeignet. «
    Sobald sie die Tür zugedrückt hatte und sich Arthurs Schritte entfernten, war Johanna bei dem Tablett mit dem Essen.

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