Im Tal des Windes: Roman (German Edition)
vielleicht eine Irin von einem Maori erschlagen wurde. «
Tamati zog die Brauen zusammen. Seine Augen wurden noch dunkler, doch er konnte ihr keine Angst machen. Als er ihre Wange berührte, wusste sie, dass sie diesen Kampf gewonnen hatte. Seine Hände waren schwarz von der Tinte, die er den jungen Männern in die blutige Haut rieb, doch das war Abigail gleich, als sie seine linke Hand küsste, die an ihrer Wange lag.
Tamati riss sie an sich. Sie küssten sich, als fochten ihre Münder einen Kampf aus, bei dem nur beide siegen und verlieren konnten. Schließlich drückte sich Abigail an ihn.
» Tu das nie wieder, Tamati! «
» Versprochen « , flüsterte er in ihr Haar und schob sie sanft von sich. » Ich kann nicht zurück nach awaawa te hauwhenua « , sagte er ruhig. » Wenn du meine Frau werden willst, dann in Urupuia, in meinem Haus, bei meiner Familie. «
» Etwas anderes habe ich nie gewollt! « , schluchzte Abigail mit plötzlicher Erleichterung und drückte sich wieder fest an ihn.
Abigail blieb die Nacht über bei den Männern auf der Lichtung, die ihre Gegenwart nun nicht mehr ganz so vehement ablehnten. Hütte, Unterstände und der runde Platz zwischen den Tiki waren für sie noch immer tabu, doch sie durfte mit ihnen am Feuer sitzen, ließ sich das Schweinefleisch schmecken, das sie in Erdöfen mit Süßkartoffeln garten, und träumte von der Zukunft mit Tamati, die schon am nächsten Morgen begann. Dann nämlich würde sie ihr weniges Hab und Gut auf der Farm abholen und nach Urupuia bringen. Dort, bei seinen Eltern, würde sie warten, bis die Zeremonie im Wald beendet war und Tamati heimkam.
Der Abschied von Johanna fiel ihr, nachdem sich diese mitWaters ausgesöhnt hatte, überraschend leicht. Zumindest in diesem Moment am Feuer, wenn sie darüber nachdachte und sich dabei in die starken Arme ihres Verlobten lehnen konnte.
New Plymouth
N ach drei anstrengenden Tagesmärschen waren sie zurück. Liam war bis zu seiner Genesung beurlaubt und verbrachte die Zeit auf dem Anwesen der Familie Bellinghouse.
Hier auf der Terrasse in einem Schaukelstuhl zu sitzen, vor sich eine silberne Etagére mit feinem Gebäck, und aus chinesischen Porzellantassen indischen Tee zu trinken, kam ihm unwirklich vor wie ein Traum.
Auf den Knien lag sein Notizbuch, eine Hälfte bereits gefüllt mit Skizzen und Zeichnungen, die er auf seiner Reise über das Meer und in diesem fremden Land gemacht hatte.
In den ersten Tagen nach der Schlacht waren es vor allem grausige Bilder von Kampf und Verlust. Indem er sie auf Papier bannte, erleichterte er sein Herz. Nun war Liam selbst erstaunt, wer auf der Seite Gestalt angenommen hatte.
Eine zarte junge Frau, aus deren Augen die Abenteuerlust blitzte. Nur ein Mal hatte er ihren sinnlichen Mund geküsst. Seitdem sehnte er sich Tag um Tag danach, es wieder zu tun.
Leise Schritte näherten sich. Liam bemerkte sie zu spät und schaffte es nicht mehr, sein Notizbuch rechtzeitig zuzuklappen.
» Was verstecken Sie da vor mir, Liam? Wer ist die hübsche Frau, Ihre Schwester? «
Liam versuchte zu lächeln und schwieg.
» Bitte, Mr Fitzgerald, verraten Sie es mir. « Marina schürzte schmollend den Mund, bis Liam schließlich seufzte.
» Johanna gehört zu meinem Londoner Leben, zu dem ich nicht zurückkehren kann. Aber es fällt mir schwer, sie zu vergessen, Marina. «
» Sie hat Ihnen das Herz gebrochen? Wie konnte sie nur! Sind Sie deshalb hier? Um von alldem wegzukommen? «
» Es ist eine lange Geschichte, und ich möchte sie nicht erzählen. Nur eines sollen Sie wissen. Es war weder ihre noch meine Schuld. Manche Dinge sollen einfach nicht geschehen… leider. «
Marina setzte sich in den Stuhl ihm gegenüber. Das spöttische Schmollen war längst einem mitfühlenden Blick gewichen. Ihre Hände huschten wie zwei nervöse Vögel über ihr Kleid, dann faltete sie sie hastig. Liam wusste, dass ihn die junge Frau lieb gewonnen hatte. Jedes freundliche Wort aus seinem Mund brachte sie zum Strahlen. Jetzt litt sie mit ihm, als täte ihr die Trennung von Johanna selber weh.
Liam legte das Buch zur Seite.
» Und, und lieben Sie sie noch? « , erkundigte sie sich schließlich zögerlich. Liam wollte sie mit seiner Antwort nicht verletzen, und das würde er, wenn er die Wahrheit sagte. Also schwieg er, was beinahe die gleiche Wirkung auf sie hatte. Marina blickte betreten auf ihre Hände, dann brach er das Schweigen.
» Ich kann die Vergangenheit nicht ändern, und eine Zukunft
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