Im Taumel der Herzen - Roman
Vater, der mir eine Braut ausgesucht hatte, ohne mich auch nur zu fragen. Der Hauptgrund für meine Wut war stets die Tatsache, dass ich keinerlei Kontrolle über mein eigenes Leben besaß.«
Obwohl sie inzwischen über ein heikles Thema sprachen, blieb ihre Gefühlslage vorerst neutral, zumindest die von Julia. Dass sie beide darüber diskutieren konnten, ohne sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen, war höchst erstaunlich.
In ernsterem Ton fuhr Richard fort: »Mit sechzehn wurde ich langsam zu groß für Vaters Gerte. Als er mich eines Tages wieder damit schlagen wollte, nahm ich sie ihm einfach weg. Daraufhin heuerte er ein paar Schläger an, um seinen Willen durchzusetzen. Kannst du dir vorstellen, wie es für mich war, von Bediensteten geschlagen zu werden, die den Adel zutiefst hassten und ein perverses Vergnügen dabei empfanden, als sie den Befehl bekamen, mir eine ›Lektion‹ zu erteilen? Hinterher warfen sie mich meinem Vater vor die Füße, und er sagte nur: ›Vielleicht tust du nächstes Mal, was man dir sagt.‹ Was ist das für ein Mann, der gegenüber seinem eigenen Sohn so herzlos sein kann?«
»Einer, der dich hasst?«
»Unsinn! Der Hass liegt ganz auf meiner Seite. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er einfach nicht anders kann.«
Diese Einstellung ärgerte sie, insbesondere, nachdem er ihr gerade von seiner Kindheit erzählt und damit ihr Mitleid erregt hatte. »Nur weil er dein Vater ist, brauchst du ihn nicht auch noch in Schutz zu nehmen, Richard.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Welcher Teil ist dir entgangen? Habe ich nicht gerade gesagt, wie sehr ich ihn hasse?«
Er nahm ihr ihre Worte krumm. Vermutlich hätte ihr Gespräch ein jähes Ende gefunden, wenn Julia ihn jetzt nicht
schockiert hätte, indem sie ihn fragte: »Bist du sicher, dass er wirklich dein Vater ist?«
»Natürlich ist er das! Wie oft habe ich mir gewünscht, er wäre es nicht, aber er ist es.«
» Woher willst du das wissen?«
»Weil nicht nur ich so hart von ihm bestraft wurde. Charles wurde genauso behandelt, er hat nur brav den Kopf eingezogen und sich nie so dagegen aufgelehnt wie ich. Und wenn Vater nicht gerade seine Strafen über uns verhängte, war er für gewöhnlich recht freundlich zu uns beiden. Nicht liebevoll, versteh mich nicht falsch. Das war er nie. Aber er legte auch niemals irgendwelche Hassgefühle an den Tag. Er wurde nur sehr wütend, wenn wir gegen seine Regeln verstießen oder nicht sofort sprangen, wenn er uns etwas befahl. Genauso wurde er selbst auch erzogen, musst du wissen, und deswegen dachte er wohl, was bei ihm funktioniert hatte, würde bei seinen eigenen Söhnen ebenfalls funktionieren. Schlechte Eltern erziehen ihre Kinder auch wieder zu schlechten Eltern«, schloss Richard voller Abscheu.
»So ein Unsinn! Oder willst du behaupten, du würdest deine Kinder genauso erziehen?«
»Um Gottes willen, nein!«
»Eben. Also ist es auch keine Entschuldigung für das grauenhafte Verhalten, das dein Vater seinen Kindern gegenüber an den Tag gelegt hat.«
Julia wusste, dass Richards Mutter sich eine Saison lang durch die Londoner Betten geschlafen hatte, war aber nicht sicher, ob sie es erwähnen sollte. Richard schien davon nichts zu wissen und klang ohnehin schon viel zu defensiv, sobald es um seine Kindheit ging. Wenn er und sein Bruder tatsächlich gleich behandelt worden waren, lag James mit seiner Vermutung, Richard könnte ein Bastard sein, vielleicht doch falsch.
Deswegen beschränkte sie sich auf die abschließende Bemerkung: »Er ist einfach nur böse.«
»Da sind wir uns schon wieder einig.«
Richard klang überhaupt nicht mehr amüsiert und setzte sich auf die Bettkante, um seine Hose anzuziehen. Nachdem er Julia so abrupt seiner Wärme beraubt hatte, war sie sich ihrer eigenen Nacktheit plötzlich sehr bewusst, aber ihre Kleidung lag mitten im Raum, wo Richard sie hatte fallen lassen. Als sie nun Anstalten machte, sich unter die Bettdecke zu verkriechen, warf er ihr Bluse und Rock aufs Bett. Sie beeilte sich, in die Sachen hineinzukommen, solange er noch in die andere Richtung sah.
Richard drehte sich erst um, als er sein Hemd zurück in die Hose stopfte. »Warum bist du wirklich hier, Jewels?«
Nicht nur in seiner Stimme, sondern auch in seiner Miene lag ein so deutlicher Vorwurf, dass Julia ganz steif wurde und sich auf der anderen Seite des Bettes rasch erhob. »Das habe ich dir bereits gesagt. Als ich mit deinem Vater sprach, riet er mir, mich auf meine Hochzeit
Weitere Kostenlose Bücher